Predigt zum 4. Sonntag der Osterzeit (11. Mai 2025)
Thema: „Gottes Stimme folgen – Geborgenheit finden“
Liebe Gebetsatelierfreunde und -freundinnen,
stellen Sie sich vor, Sie stehen auf einem vollen Bahnhof. Menschen laufen durcheinander, Geräusche überall – und plötzlich ruft jemand Ihren Namen. Trotz des Lärms erkennen Sie sofort diese Stimme, weil sie Ihnen vertraut ist. So ist es mit der Stimme Gottes – sie ist nicht laut, aber klar für die, die auf sie hören wollen.
Heute feiern wir den 4. Sonntag der Osterzeit – den sogenannten Guten-Hirten-Sonntag. Drei biblische Texte begegnen uns, und sie erzählen alle von Vertrauen, Weite und Verlässlichkeit. Von einer Botschaft, die keine Grenzen kennt, von einer Hoffnung, die durch Bedrängnis trägt, und von einer Stimme, die Leben schenkt.
1. Apostelgeschichte 13,14.43b–52 – Evangelium ohne Grenzen
Hinweis: Der
Text ist zusammengesetzt, Verse 15–43a werden ausgelassen. Ich empfehle jedem das gesamte Kapitel zu lesen.
Siehe auch www.bibleserver.de
Paulus und Barnabas sind auf Missionsreise. Sie erreichen Antiochia in Pisidien, eine bedeutende Stadt in der römischen Provinz Galatien. In der Synagoge hören ihnen nicht nur Juden zu, sondern auch viele Nichtjuden – sogenannte „Gottesfürchtige“, also Heiden, die sich für den jüdischen Glauben interessieren. Ihre Predigt kommt gut an – zu gut für einige. Aus Neid und Angst vor Machtverlust lehnen manche Juden die Verkündigung ab. Paulus und Barnabas reagieren entschlossen: „Wenn ihr nicht hören wollt, dann wenden wir uns denen zu, die offen sind.“
Praktisches Beispiel:
Manchmal erleben wir das im Alltag: Wir versuchen, jemandem einen guten Rat zu geben, wollen helfen – aber er oder sie blockt ab.Das erlebe ich durchaus auch als Lehrer. Statt sich aufzureiben, gehe ich dorthin, wo mein Wort Frucht bringt. Das ist kein Aufgeben, sondern kluge Energieverteilung.
Biblischer und historischer Kontext:
Die Entscheidung von Paulus, sich den Heiden zuzuwenden, ist nicht impulsiv, sondern theologisch begründet: Schon Jesaja (Kap. 49,6) spricht davon, dass Israel ein „Licht für die Völker“ sein soll. Paulus sieht seine Mission darin, dieses Licht in die Welt zu tragen – über ethnische und religiöse Grenzen hinaus.
Achtung: Diese und ähnliche Bibelverse wurden in der Kirchengeschichte leider oft als Rrechtfertigung für Pogrome gegen Juden benutzt. Sicherlich haben damals nicht alle Juden Christus abgelehnt. Unterschiedliche Erkenntnisse in Glaubensfragen, die eh Stückwerk sind, dürfen niemals in Hass und Gewalt umschlagen!
Kernaussage:
Gott grenzt nicht aus. Wo Menschen offen sind, kann sein Wort wirken. Wer sich verschließt, bleibt außen vor – nicht weil Gott ablehnt, sondern weil der Mensch sich abwendet.
---
2. Offenbarung 7,9–17 – Trost in der Bedrängnis
Johannes sieht eine große Menschenmenge vor dem Thron Gottes – unzählbar, international, vereint. Diese Menschen haben schwere Zeiten durchgestanden, ihre „Gewänder im Blut des Lammes gewaschen“. Sie erfahren nun Schutz, Fürsorge und Heilung.
Symbolik:
Weiße Gewänder stehen für Reinheit und Erlösung.
Palmzweige deuten auf den Sieg hin – ein Echo auf den Palmsonntag.
Das Zelt Gottes erinnert an die Wüstenwanderung und den schützenden Tempel.
Alltagsverbindung:
Wer von uns kennt nicht Leidenszeiten – Krankheit, Isolation, seelische Erschöpfung? Die Offenbarung sagt uns: Das bleibt nicht so. Gott sieht deine Tränen – und wird sie abwischen. Nicht alles wird hier auf Erden gelöst, aber nichts bleibt bei Gott unbeachtet.
Kernaussage:
Gott vergisst niemanden. Die, die durchhalten und sich an Christus halten, werden aufgenommen – in eine Wirklichkeit jenseits von Schmerz und Hunger.
---
3. Johannes 10,27–30 – Der gute Hirte
Jesus beschreibt die Beziehung zwischen ihm und seinen Jüngern mit einem vertrauten Bild: „Meine Schafe hören auf meine Stimme; ich kenne sie, und sie folgen mir.“ Es ist keine anonyme Masse, sondern eine enge, persönliche Verbindung. Und er verspricht: „Niemand kann sie meiner Hand entreißen.“
Biblischer Kontext:
Diese Worte spricht Jesus beim Tempelweihfest (Chanukka). Die Menschen erwarten klare Aussagen über seine Messianität. Seine Antwort ist nicht politisch, sondern pastoral: Wer ihn erkennt, ist geborgen. Das Bild vom Hirten ist tief im Alten Testament verankert (vgl. Ps 23, Ez 34).
Alltagsbeispiel:
In einer Welt voller Stimmen – Werbung, Meinungen, Social Media – ist es nicht leicht, die Stimme Jesu zu hören. Aber wer hinhört, erkennt: Diese Stimme verurteilt nicht, sie ruft. Sie fordert, aber sie überfordert nicht. Sie ist leise, aber stark.
Kernaussage:
Gottes Nähe ist kein Gefühl – sie ist eine Zusage. Wer zu Jesus gehört, ist gehalten. Keine Macht der Welt kann ihn uns wegnehmen.
---
Gemeinsame Botschaft der drei Texte
Alle drei Lesungen zeigen verschiedene Aspekte einer großen Wahrheit:
Gottes Liebe ist grenzenlos, tragfähig und unzerstörbar.
In der Apostelgeschichte: Sie weitet sich über kulturelle Schranken hinweg.
In der Offenbarung: Sie trägt durch Not und führt zur Vollendung.
Im Evangelium: Sie zeigt sich im treuen Begleiten des guten Hirten.
Schlussgedanken
Liebe Freunde und Freundinnen des Gebetsateliers,
vielleicht fragen auch Sie sich manchmal: Höre ich Gottes Stimme überhaupt noch? Bin ich auf dem richtigen Weg? Wird das alles gut?
Dann nehmen Sie die heutige Botschaft mit:
Ja, du bist gemeint. Ja, du bist gehalten. Ja, du bist auf dem Weg – auch wenn er durch Wüste und Dunkelheit führt.
Gottes Stimme ruft – sanft, aber bestimmt. Folgen wir ihr. Denn: „Niemand wird sie aus meiner Hand entreißen.“
Amen.
---
Quellenangaben
Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, 2016
Brown, Raymond E.: Einführung in das Neue Testament, Herder, Freiburg, 2008, S. 470–485
Luz, Ulrich: Das Evangelium nach Matthäus, EKK I/1, Benziger/Neukirchener, 1985, S. 273–281
Theißen, Gerd: Die Religion der ersten Christen, Gütersloher Verlagshaus, 2002, S. 102–118
Bibelwissenschaft.de – Exegetisches Portal der Deutschen Bibelgesellschaft:
https://www.bibelwissenschaft.de
Schnelle, Udo: Einleitung in das Neue Testament, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 2007, S. 343–359