Predigt 14. September 2025: Erhöhung + Unterordnung
Predigt Nr. 1: Klassischer Stil (Kurzform)
Predigt Nr. 2: Klassischer Stil (Langform) mit Exkurs zum Thema „Unterordnung versus Gewissensfreiheit“ in der Art eines Streitgesprächs
Predigten Teil 3: Fünf Predigten in Variationen:
A) Dialogische Predigt
B) Narrative Predigt
C) Monologische Predigt
D) Biographische Predigt
E) Ikonographische Predigt
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Predigt Nr. 1: Klassischer Stil (Kurzform)
Thema der Predigt: Die Erhöhung des Gekreuzigten – ein Blick, der rettet
Bibeltexte:
Numeri 21,4–9
Johannes 3,13–17
Philipper 2,6–11
Liebe Gebetsatelierfreunde und -freundinnen und Leser, aus aller Welt,
heute geht es um ein großes und zentrales Thema unseres Glaubens: das Kreuz. Drei verschiedene Bibelstellen zeigen uns, wie Gott durch das, was schwach, gering und leidvoll ist, Rettung und neues Leben schenkt. Die wichtigste Botschaft lautet: Gott rettet durch das, was zunächst wie Niederlage aussieht – durch das Kreuz seines Sohnes.
1. Die Kupferschlange in der Wüste – Numeri (4. Mose) 21,4–9
Die Israeliten sind auf dem Weg durch die Wüste. Weil ihnen der direkte Durchgang durch das Land Edom verweigert wird, müssen sie einen Umweg nehmen. Dieser Umweg ist beschwerlich und entmutigend. Das Volk wird ungeduldig und beginnt, sich über Gott und Mose zu beschweren. Sie sagen: „Warum habt ihr uns aus Ägypten geholt? Nur um in der Wüste zu sterben? Wir haben kein Brot, kein Wasser, und das, was wir zu essen bekommen, ekelt uns an.“
Giftige Schlangen als Strafe
Gott reagiert mit einer harten Maßnahme: Er schickt giftige Schlangen, die viele Menschen beißen. Viele sterben. Das Volk erkennt nun seinen Fehler: Es hat gegen Gott und Mose gesündigt. Es bittet Mose, für sie zu beten. Mose tut das – und Gott gibt eine überraschende Anweisung: Mose soll eine Schlange aus Kupfer machen und sie an einem Stab befestigen. Wer gebissen wurde und diese Schlange anschaut, wird am Leben bleiben.
Die Stuttgarter Studienbibel erklärt: Das Volk begreift hier erstmals, dass es selbst Schuld an seinem Leid trägt. Anders als bei früheren Murrgeschichten (z. B. Exodus 16 oder Numeri 11) bekennt es seine Sünde ausdrücklich. Es erkennt: Nicht Gott hat versagt – wir haben uns gegen ihn aufgelehnt.
Der
Blick auf die Kupferschlange als Vorahnung auf den Blick auf Christus
Gott schenkt nun keine direkte Aufhebung der Gefahr. Die Schlangen verschwinden nicht. Aber: Wer auf die Kupferschlange blickt, wird gerettet. Das ist eine tiefere Botschaft: Die Lösung kommt nicht durch Flucht, sondern durch Vertrauen. Der Blick auf das Zeichen des Gerichts wird zum Blick des Glaubens. Die Bibel nennt das eine „Art Gegenheilmittel“ – das, was beißt (die Schlange), wird selbst zum Mittel der Rettung.
Das Stuttgarter Altes Testament (katholisch) , kommentierte Studienausgabe betont: Der Blick auf die kupferne Schlange verändert nicht nur die äußere Gefahr, sondern auch das Herz. Wer schaut, erkennt seine Schuld – und dass nur Gott retten kann. Das Vertrauen auf Gottes Hilfe ist der eigentliche Wendepunkt. So entsteht eine dauerhafte Bindung an Gottes Schutz.
Im Alltag bedeutet das: Auch wir kennen Momente, in denen wir uns verirren – in denen wir klagen, murren, misstrauisch werden. Der Text lehrt uns: Umkehr beginnt mit dem Eingeständnis unserer Schuld – und mit dem Vertrauen, dass Gott einen Weg zur Rettung schenkt.
2. Der Menschensohn wird erhöht – Johannes 3,13–17
Jesus spricht in der Nacht mit Nikodemus. Er erklärt ihm: Niemand ist je zum Himmel aufgestiegen – nur der, der vom Himmel herabgekommen ist: der Menschensohn. Und dann vergleicht er sich selbst mit der kupfernen Schlange aus Numeri: „Wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der an ihn glaubt, ewiges Leben hat.“
Was Jesus hier sagt, ist zutiefst bedeutungsvoll. Die Erhöhung meint das Kreuz. So wie die Israeliten in der Wüste auf das Zeichen der Rettung schauen mussten, so sollen wir auf den gekreuzigten Christus blicken. Der Blick auf Jesus rettet – weil er der Weg zu Gott ist.
Die Stuttgarter Studienausgabe erklärt: Jesus spricht hier von seinem Kreuzestod als einer „Erhöhung“. Das ist doppeldeutig: Es bedeutet, dass er am Kreuz „erhöht“ wird – aber auch, dass er durch das Kreuz zur Herrlichkeit beim Vater „erhöht“ wird. Beides gehört zusammen. Für Johannes ist das Kreuz kein Scheitern, sondern der Höhepunkt der göttlichen Liebe.
Gleich danach folgt der berühmteste Satz der Bibel:
„Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat.“
Die Stuttgarter Erklärung betont: Dieses „Hingeben“ meint nicht nur den Tod am Kreuz – sondern das ganze Leben Jesu. Alles, was Jesus tat, war Geschenk. Gott will, dass wir durch dieses Geschenk ewiges Leben empfangen – ein Leben, das schon hier beginnt, das in Gott verwurzelt ist und niemals aufhört.
Und weiter heißt es: Gott hat seinen Sohn nicht gesandt, um zu verurteilen, sondern um zu retten. Das ist die frohe Botschaft. Wer an Christus glaubt, lebt. Wer ihn ablehnt, bleibt in der Verlorenheit – nicht weil Gott ihn verurteilt, sondern weil er die Rettung nicht annehmen will.
Im Alltag bedeutet das: Ich darf wissen, dass ich nicht zuerst bewertet, sondern geliebt werde. Gottes erste Reaktion ist nicht Strafe – sondern Rettung durch seinen Sohn.
3. Der Christus-Hymnus – Philipper 2,6–11
Der dritte Text ist ein Lied aus der frühen Kirche, ein Hymnus, den Paulus zitiert. Er zeigt den Weg Jesu in zwei großen Bewegungen: nach unten und dann nach oben.
Zuerst: Jesus war Gott gleich. Er hätte es sich bequem machen können. Aber er „hielt nicht daran fest“, wie Gott zu sein. Stattdessen wurde er Mensch – und nicht irgendein Mensch, sondern ein Sklave. Er lebte als einfacher Mensch, gehorchte Gott bis zum bitteren Ende – sogar bis zum Tod am Kreuz.
Die Studienausgabe erklärt: Dieses „nicht daran festhalten“ bedeutet, dass Jesus seine göttliche Würde nicht für sich selbst nutzt. Er nutzt seine Macht nicht aus. Er macht sich „leer“, entäußert sich. Das griechische Wort dafür ist kenosis – sich ganz geben, sich hingeben, alles ablegen.
Diese freiwillige Erniedrigung ist kein Unfall, sondern der gewollte Weg Jesu. Deshalb sagt der Text: „Darum hat ihn Gott erhöht und ihm den Namen gegeben, der über allen Namen steht.“
Jetzt beginnt die zweite Bewegung: Jesus wird erhöht. Alle – im Himmel, auf der Erde und unter der Erde – sollen sich vor ihm beugen. Und alle sollen bekennen: Jesus Christus ist der Herr.
Die Erklärung sagt: Dieser Titel „Herr“ war im römischen Reich eigentlich dem Kaiser vorbehalten. Hier wird klar: Nicht der Kaiser, sondern Jesus ist der wahre Herr.
Im Alltag kann ich daraus lernen: Ich muss mich nicht selbst groß machen. Der Weg Jesu war der Weg der Demut. Wer dient, wird erhöht. Wer liebt, gewinnt. Wer sich hingibt, wird beschenkt.
Was ich daraus lernen möchte
Ich möchte lernen, ehrlich zu sein über meine Schwächen – so wie das Volk Israel es lernte. Ich möchte nicht mehr klagen, sondern vertrauen. Ich möchte auf Christus schauen – besonders dann, wenn mein Leben aus dem Gleichgewicht gerät. Ich möchte begreifen, dass nicht Stärke mich rettet, sondern der Glaube. Ich will leben aus der Wahrheit, dass Gott mich liebt – nicht, weil ich gut bin, sondern weil er gut ist.
Sieben Fürbitten
Herr, wir bitten dich für alle Menschen, die auf der Flucht oder in lebensbedrohlichen Krisen stecken: Schenke ihnen Halt, wo alles zusammenzubrechen scheint, und sichere Orte, wo sie aufatmen können.
Herr, wir bitten dich für die Länder im Nahen Osten, in Afrika und in der Ukraine: Bewahre sie vor noch mehr Gewalt, und zeige allen Mächtigen Wege zur Gerechtigkeit und zum Frieden.
Herr, wir bitten dich für unsere Gemeinden: Lehre sie neu, auf den Gekreuzigten zu blicken, statt auf menschliche Macht. Mach sie zur glaubwürdigen Zeugin deiner rettenden Liebe.
Herr, wir bitten dich für Menschen, die mit ihrer Schuld nicht zurechtkommen: Lass sie erkennen, dass du kein Gott des Strafens, sondern des Erbarmens bist – und dass Umkehr immer möglich ist.
Herr, wir bitten dich für alle, die sich in ihren Krankheiten, Zweifeln oder Ängsten nach Heilung sehnen: Gib ihnen den Mut, zu dir aufzublicken – auch wenn sie deine Hilfe noch nicht sehen können.
Herr, wir bitten dich für uns alle: Lass uns nicht über andere richten, sondern aus dem Wissen leben, dass wir selbst nur durch Gnade bestehen – damit auch unser Blick heilend wird.
Herr, wir bitten dich für alle, die das Kreuz nicht mehr verstehen: Öffne ihre Herzen für das Wunder, das im Schwachen verborgen ist – und dass in der Erniedrigung Christi unsere Hoffnung liegt.
Aktualisierte Literaturhinweise:
Athanasius von Alexandrien. De Incarnatione Verbi Dei. Alexandria, ca. 318 n. Chr.
Benedikt XVI. Karfreitagspredigt. Vatikan: Libreria Editrice Vaticana, 2008.
Bonhoeffer, Dietrich. Nachfolge. München: Chr. Kaiser Verlag, 1937.
Bonnke, Reinhard. Living a Life of Fire. Orlando: Full Flame Publishing, 2010.
Cicero, Marcus Tullius. Pro Rabirio. Rom, 63 v. Chr.
Elberfelder Bibel. Edition mit Erklärungen. Wuppertal: R. Brockhaus Verlag, 2023.
Graham, Billy. Peace with God. Waco: Word Books, 1953.
Johannes vom Kreuz. Aufstieg zum Berge Karmel. Toledo, 1587.
Neue Jerusalemer Bibel. Freiburg: Herder, 1985.
Roger von Taizé. Gott kann nur lieben. Taizé: Edition Taizé, 2003.
STAMPS-Studienbibel. Witten: SCM R. Brockhaus, 2015.
Stuttgarter Erklärungsbibel. Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft, 2007.
Stuttgarter Neues Testament, kommentierte Studienausgabe. Stuttgart: Katholisches Bildungswerk, 2024.
Stuttgarter Studienausgabe AT & NT + Lexikon. Stuttgart: Katholisches Bildungswerk, 2024.
Vatican News. „Evangelium des Tages.“ https://www.vaticannews.va/de/evangelium-des-tages.html
Bibleserver. „Einheitsübersetzung.“ https://www.bibleserver.de
SCHOTT Messbuch (liturgische Texte, Meditationen, Fürbitten). https://schott.erzabtei-beuron.de
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Predigt Nr. 2: Klassischer Stil (Langform) mit Exkurs zum Thema „Unterordnung versus Gewissensfreiheit“ in der Art eines Streitgesprächs
Thema der Predigt: Die Erhöhung des Gekreuzigten – ein Blick, der rettet
Bibeltexte:
Numeri 21,4–9
Philipper 2,6–11
Liebe Gebetsatelierfreunde und -freundinnen und Leser, aus aller Welt,
die heutigen Texte führen uns mitten hinein in das Zentrum des christlichen Glaubens: das Kreuz. Was für viele ein Symbol des Leidens ist, wird hier zur Quelle des Lebens. Die zentrale Botschaft lautet: Gott erhöht, was verachtet ist, und er rettet durch das, was uns auf den ersten Blick widersinnig erscheint – durch das Kreuz.
I. Zusammenfassung und Auslegung von Numeri (4. Mose) 21,4 -9
Die Geschichte in der Wüste – ein Blick, der Leben rettet
> „In jenen Tagen brachen die Israeliten vom Berg Hor auf und schlugen die Richtung zum Roten Meer ein, um Edom zu umgehen. Das Volk aber verlor auf dem Weg die Geduld. Es lehnte sich gegen Gott und gegen Mose auf und sagte: Warum habt ihr uns aus Ägypten heraufgeführt – etwa damit wir in der Wüste sterben? Es gibt weder Brot noch Wasser, und es ekelt uns vor dieser elenden Nahrung.
Da schickte der Herr Feuerschlangen unter das Volk. Sie bissen das Volk, und viele aus Israel starben.
Da kam das Volk zu Mose und sagte: Wir haben gesündigt, denn wir haben uns gegen den Herrn und gegen dich aufgelehnt. Bete zum Herrn, dass er uns von den Schlangen befreit!
Da betete Mose für das Volk. Der Herr sprach zu Mose: Mach dir eine Feuerschlange und häng sie an einer Stange auf! Jeder, der gebissen wird, wird am Leben bleiben, wenn er sie ansieht.
Mose machte also eine Schlange aus Kupfer und hängte sie an einer Stange auf. Wenn nun jemand von einer Schlange gebissen wurde und zu der Kupferschlange aufblickte, blieb er am Leben.“
1. Historischer Kontext: Wanderung durch die Wüste
Die Szene spielt in der Endphase der Wüstenwanderung Israels, kurz vor dem Einzug in das verheißene Land. Israel befindet sich in einer existenziellen Übergangssituation: nach dem Tod Aarons (Num 20,28) und vor dem Beginn des Eroberungszugs.
Der Weg, den sie nehmen müssen, führt sie in einem Umweg südlich des Landes Edom entlang – eine zusätzliche Belastung, die zur Erschöpfung und Frustration beiträgt. Die Edomiter hatten den Durchzug Israels durch ihr Gebiet verweigert (vgl. Num 20,14–21), was als demütigend erlebt wurde. Die Umgehung des Edomiterlandes war somit keine bloße Wegänderung, sondern Ausdruck politischer Schwäche.
Die Stuttgarter Studienausgabe betont, dass dieser Abschnitt „eine tiefgreifende Krise des Vertrauens“ darstellt – eine erneute Infragestellung der göttlichen Führung.
2. Theologische Bedeutung der Klage
Die Klage des Volkes ist eine Wiederholung bereits bekannter Rebellionen in der Wüste (vgl. Ex 16; Num 11; 14). Was hier besonders ins Gewicht fällt, ist die Heftigkeit der Vorwürfe: Gott und Mose wird nicht nur Inkompetenz, sondern böswillige Absicht unterstellt („um in der Wüste zu sterben“).
Hier wird deutlich, wie schwer es dem Menschen fällt, in Zeiten der Entbehrung Vertrauen zu bewahren. Das Volk „ekelt sich“ sogar vor der „elenden Nahrung“ – ein Verweis auf das Manna, das göttliche Geschenk, das nun verachtet wird.
Die Neue Jerusalemer Bibel beschreibt diesen Punkt als „Gipfel der Undankbarkeit“, da das Manna ursprünglich als Zeichen göttlicher Fürsorge gedacht war (Ex 16).
3. Die Feuerschlangen – Gericht und Offenbarung
Als Folge der Rebellion sendet Gott „Feuerschlangen“. Der hebräische Ausdruck scharaf kann wörtlich „Brennende“ bedeuten – sei es aufgrund ihrer Giftigkeit oder ihres Aussehens (rot glänzend). Diese Tiere waren in der Sinai-Wüste tatsächlich bekannt (vgl. Jes 30,6).
Die Plage der Schlangen wird nicht als bloße Strafe dargestellt, sondern als erzieherische Maßnahme: sie führt zu Einsicht und Umkehr. Das Volk bekennt seine Schuld und bittet Mose, zum Herrn zu beten. Hier zeigt sich ein theologischer Tiefpunkt – aber auch ein Wendepunkt. Die Bitte um Fürbitte ist bereits ein Zeichen der Rückkehr zum Vertrauen.
4. Die Kupferschlange – ein paradoxes Heilmittel
Gottes Anweisung ist erstaunlich: Gerettet wird nicht durch Entfernung der Gefahr, sondern durch das Anschauen ihres Abbildes.
Diese Logik ist zutiefst biblisch und christologisch: Nicht Vermeidung des Leids bringt Heilung, sondern der Blick darauf – im Licht Gottes.
Die Kupferschlange ist nicht ein Götzenbild, sondern ein Zeichen des Gerichts und gleichzeitig des Heils. Die Elberfelder Studienbibel weist darauf hin, dass das Wort für „Kupfer“ (nechoschet) klanglich mit „Schlange“ (nachasch) verwandt ist – möglicherweise ein bewusster Wortklang, der auf die Verbindung von Ursache und Lösung hinweist.
Das Stuttgarter Neue Testament hebt hervor, dass hier „das Zeichen des Todes in das Zeichen des Lebens umgekehrt wird“. Diese paradoxe Struktur findet sich durchgehend im biblischen Denken: Tod – Leben, Gericht – Rettung, Kreuz – Auferstehung.
5. Spätere Rezeption in Israel und im Neuen Testament
Interessanterweise blieb das Bild der Schlange im Tempel Israels bis zur Zeit des Königs Hiskija erhalten (vgl. 2 Kön 18,4), wurde jedoch später zerstört, weil es zum Götzen geworden war (Nehuschtan). Dies zeigt die Ambivalenz religiöser Zeichen: Was Zeichen Gottes war, kann zur Gefahr werden, wenn es isoliert verehrt wird.
Jesus selbst greift diese Szene im Johannesevangelium auf (Joh 3,14): „Wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden.“ Das Kreuz wird so zum endgültigen heilenden Zeichen. Wie Israel zur Kupferschlange aufblickt, so sollen wir auf Christus blicken.
Reinhard Bonnke sagte einmal: „Gott braucht nur ein einziges Bild, um das ganze Evangelium zu erklären: Das Kreuz.“
(Bonnke, Living a Life of Fire, Orlando, 2010)
6. Alltagsnahe Anwendung – Heilung durch den richtigen Blick
Auch heute gilt: Heilung beginnt oft nicht mit einer Sofortlösung, sondern mit einem bewussten „Ansehen“ des Problems – im Licht des Glaubens. Wer verdrängt, bleibt in der Dunkelheit gefangen. Wer aber hinschaut – mit Vertrauen –, erlebt Heilung.
Ein katholischer Seelsorger erzählte von einem Mann, der lange seine Alkoholsucht verleugnete. Erst als er mit zittrigen Händen auf ein Kreuz schaute und sagte „Ich kann nicht mehr“, begann die Wende. Der Blick wurde zum Gebet, das Gebet zur Befreiung.
Bonhoeffer formulierte: „Gott hilft nicht durch Entrückung aus der Welt, sondern durch das Durchhalten in der Welt.“
(Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, München, 1951)
7. Fazit – Das Kreuz im Herzen des Alten Bundes
Die eherne Schlange ist mehr als eine Notlösung in der Wüste. Sie ist eine prophetische Vorwegnahme des Kreuzes Christi. Die Rettung geschieht nicht durch Flucht oder Taktik, sondern durch den Blick des Glaubens auf das, was uns überfordert – und darauf, dass Gott es mit uns trägt.
Diese Geschichte fordert uns heraus, neu zu sehen:
Unsere Wüstenzeiten nicht als Gottesferne, sondern als Möglichkeit zur Begegnung
Unser Versagen nicht als Ende, sondern als Anfang der Umkehr
Unser Leid nicht als Fluch, sondern als Ort möglicher Heilung
Im Buch Numeri befinden wir uns mit dem Volk Israel in der Wüste, auf einem Weg voller Entbehrung. Das Volk verliert die Geduld, es murrt gegen Gott und Mose. Wieder einmal scheint es, als hätte man lieber in der Sklaverei Ägyptens verharrt, als sich auf den mühsamen Weg der Freiheit einzulassen. Daraufhin schickt Gott „Feuerschlangen“ – und viele Menschen sterben.
Doch inmitten des Gerichts geschieht etwas Ungewöhnliches: Gott gebietet Mose, eine Schlange aus Kupfer zu machen und sie an einer Stange aufzuhängen. Wer sie anschaut, bleibt am Leben.
Was für ein Bild! Die Schlange, das Symbol des Verderbens, wird zum Mittel des Heils. Wer das Symbol der eigenen Schuld anschaut, wird gerettet – nicht durch Leistung, sondern durch Vertrauen.
Die Stuttgarter Erklärungsbibel betont hierzu, dass dieses Zeichen auf das „Erkennen der eigenen Schuld“ und die „Glaubensbereitschaft zur Rettung“ verweist – nicht als magischer Akt, sondern als geistliche Umkehr. Die Neue Jerusalemer Bibel sieht darin einen „Übergang vom Gericht zur Gnade“ – durch Gottes eigenes Eingreifen.
11. Exkurs zum Numeri-Text:
Titel: Rebellion oder Verantwortung? – Ein Streitgespräch über geistliche Leiterschaft und Gemeindekultur
Sprecher 1:
Ich finde, wir sollten heute mehr denn je über das reden, was in Numeri 21,4–9 geschieht: Das Volk Israel lehnt sich gegen Mose auf – und damit gegen Gott selbst. Diese Haltung ist für mich kein Einzelfall in der Bibel. Und, offen gesagt, ich sehe sie auch heute. Viele Christen rebellieren – nicht gegen falsche Autorität, sondern gegen jede Form von Ordnung. Ich sehe das in Gemeinden, wo junge, idealistische Pastoren kaum noch durchhalten, weil sie ständig von besserwisserischen Leuten infrage gestellt werden. Gerade in Freikirchen. Das macht Gemeinden kaputt.
Sprecher 2:
Ich verstehe deine Sorge, aber ich halte solche Aussagen für gefährlich. Menschen sind nicht „rebellisch“, nur weil sie kritisch sind. Wir müssen sehr sensibel unterscheiden: Kritik an Leiterschaft ist nicht gleich Rebellion. Denk an das Milgram-Experiment: In diesem psychologischen Versuch aus den 1960er-Jahren waren normale Menschen bereit, anderen angeblich schmerzhafte Elektroschocks zu verabreichen – nur weil eine Autoritätsperson es ihnen befahl. Das Experiment zeigt, wie weit Menschen im Gehorsam gehen können, selbst wenn sie ihr Gewissen dabei unterdrücken.
Oder nimm den Film „Die Welle“: Er zeigt, wie schnell eine ganz normale Schulklasse unter einem autoritären Lehrer eine totalitäre Gruppendynamik entwickelt – mit Ausgrenzung, Zwang und blindem Mitlaufen. Es ist ein Warnruf, dass auch gut gemeinte Führung in gefährliche Macht umschlagen kann, wenn sie nicht hinterfragt werden darf.
Sprecher 1:
Aber es geht doch nicht um Kadavergehorsam! Ich rede von einem gesunden, freiwilligen Einordnen – da, wo die Leitung nichts fordert, was Gottes Wort widerspricht. Schau in Hebräer 13,17: „Gehorcht euren Führern und fügt euch ihnen; denn sie wachen über eure Seelen.“ Das ist biblisch. Und ich erlebe oft das Gegenteil: ständiges Misstrauen, Aufbegehren, destruktive Kritik. In der Corona-Zeit wurde das sehr sichtbar: Viele Christen haben sich über die staatlichen Regeln hinweggesetzt – mit dem Argument, der Staat habe ihnen nichts zu sagen. Dabei steht doch in Römer 13, dass wir der Obrigkeit gehorchen sollen – solange kein Ungehorsam gegenüber Gottes Wort gefordert wird.
Sprecher 2:
Ja – solange sie uns nicht zur Sünde zwingt. Aber das ist genau der Punkt: Was ist geistlicher Ungehorsam, was ist Gewissensfreiheit? Ich fürchte, deine Sicht führt leicht dazu, dass man kritische Geister mundtot macht. Menschen, die Missstände benennen, werden als „rebellisch“ abgestempelt. Und ganz ehrlich: Geistliche Leiter sind nicht automatisch unfehlbar. Wer sich nie infrage stellen lässt, wird irgendwann gefährlich. Schon viele autoritäre Gemeinden haben unter frommer Sprache Missbrauch und Kontrolle versteckt. Die Bibel ruft uns nicht nur zum Gehorsam, sondern auch zur Wahrheit.
Sprecher 1:
Ich stimme dir zu: Machtmissbrauch in der Kirche ist real. Und ja, geistliche Leiter sind nicht über Kritik erhaben. Aber darf ich ehrlich sein? Ich erlebe auch das Gegenteil: Leiter, die aufrichtig dienen wollen, werden durch permanente Kritik zermürbt. Ich habe junge Pastoren weinen sehen, weil ihnen aus jeder Ecke Widerstand entgegenschlug – nicht aus Wahrheitssuche, sondern aus Sturheit, verletztem Stolz oder Eigensinn. Paulus schreibt in 1. Thessalonicher 5,12–13, wir sollen unsere Leiter achten und in Liebe hochschätzen. Das ist biblische Balance.
Sprecher 2:
Ich gebe dir recht: Kritik kann auch zerstören. Und ja, Menschen brauchen Leitung. Aber sie brauchen eine dienende Leitung, wie Jesus sie gelebt hat. Er sagt in Markus 10,43–45: „Wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener.“ Eine gute Gemeinde ist kein Machtapparat, sondern ein Ort, wo man gemeinsam auf Christus hört. Und da gehört es auch dazu, dass man den Mut hat, Stopp zu sagen, wenn etwas falsch läuft. Und: Kritik ist nicht gleich Auflehnung. Gerade im Neuen Testament ist Gemeinde ein Ort des Mitdenkens, Mitprüfens, Mittragens.
Sprecher 1:
Du hast recht. Und das will ich auch nicht bestreiten. Geistliche Leiterschaft ist nur dann biblisch, wenn sie liebevoll, dienend und transparent ist. Ich glaube nur, dass viele heute mit dem Wort „Autorität“ nichts mehr anfangen können – weil sie nur Missbrauch sehen. Aber die Bibel spricht nicht nur von Freiheit, sondern auch von Ordnung. Epheser 4,11–12 sagt: Gott hat der Gemeinde Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer gegeben – „zur Ausrüstung der Heiligen“. Leiterschaft ist ein Dienst – aber eben ein notwendiger. Ohne sie wird die Gemeinde zur Willensgemeinschaft ohne Richtung.
Sprecher 2:
Und ich ergänze: Diese Leitung muss sich immer selbst prüfen lassen. Sie braucht Rückbindung an Christus, an das Wort Gottes, an Gemeinschaft, an fach-kompetente Supervision. Und an den Mut, sich hinterfragen zu lassen. Dann kann ich auch mitgehen – weil ich sehe: Hier will niemand herrschen, sondern wirklich dienen.
Sprecher 1:
Also einigen wir uns: Wahre geistliche Leitung ist keine menschliche Diktatur, sondern ein Dienst mit Verantwortung. Und Christen sind eingeladen, sich zu unterstellen – aber nur da, wo Christus die Mitte ist.
Sprecher 2:
Genau. Und wo das nicht mehr der Fall ist, da braucht es Mut zur Kritik. Aber beides braucht Demut. Dann entsteht echte Gemeinde.
Zusammenfassung und Auslegung von Johannes 3,13–17
Jesus erhöht – wie einst die Kupferschlange
Jesus greift genau dieses Bild im Gespräch mit Nikodemus auf. Im Johannesevangelium sagt er: „Wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden.“ Er bezieht sich damit eindeutig auf sein eigenes Kreuz.
Die „Erhöhung“ ist hier doppeldeutig: einerseits die grausame Hinrichtung am Kreuz, andererseits die Erhöhung im göttlichen Sinn – zur Herrlichkeit beim Vater. Genau in dieser Spannung liegt das Zentrum unseres Glaubens: Das Kreuz ist nicht das Ende, sondern der Anfang.
Wie der Blick auf die Kupferschlange Heil brachte, so bringt der Glaube an den erhöhten Christus ewiges Leben. Die STAMPS-Studienbibel schreibt hierzu: „Der Blick auf Christus ist kein einmaliger Moment, sondern ein Lebensstil der Abhängigkeit von Gottes Gnade.“
Bibeltext: Johannes 3,13–17 – Die Erhöhung des Menschensohns
„Niemand ist in den Himmel hinaufgestiegen außer dem, der vom Himmel herabgestiegen ist – der Menschensohn.
Und wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der glaubt, in ihm ewiges Leben hat.
Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab,
damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat.
Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet,
sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.“
(Joh 3,13–17, Einheitsübersetzung)
1. Der Kontext – Das nächtliche Gespräch mit Nikodemus
Diese Verse stehen im Rahmen des Gesprächs zwischen Jesus und Nikodemus, einem Pharisäer und Mitglied des Hohen Rates. Er kommt „bei Nacht“ zu Jesus (Joh 3,2) – was sowohl auf die Tageszeit als auch auf seinen inneren Zustand hindeutet. Nikodemus steht sinnbildlich für viele religiöse Menschen, die auf der Suche nach Wahrheit sind, sich aber (noch) im Zwielicht befinden.
Die Stuttgarter Studienausgabe deutet dieses Gespräch als „theologischen Höhepunkt des johanneischen Frühabschnitts“ – Jesus offenbart hier nicht nur sein innerstes Selbstverständnis, sondern die ganze Sendung Gottes.
2. Vom Himmel herabgestiegen – Einzigartige Autorität
Jesus erklärt zunächst: Niemand ist in den Himmel hinaufgestiegen außer dem, der vom Himmel herabgestiegen ist – der Menschensohn.
Hier zeigt sich ein zentrales Motiv des Johannesevangeliums: die Herkunft Jesu. Während andere Propheten von Gott gesandt wurden, kommt Jesus selbst aus dem Himmel, aus der innersten Gemeinschaft mit dem Vater. Seine Autorität ist nicht erlernt oder delegiert, sondern wesensmäßig.
Die Neue Jerusalemer Bibel betont: „Christus ist nicht nur Bote, sondern die fleischgewordene Offenbarung Gottes.“
Historisch bezieht sich Jesus mit dem Titel „Menschensohn“ auf die Vision in Daniel 7,13, wo einer „wie ein Menschensohn“ mit göttlicher Macht kommt. In der damaligen jüdischen Apokalyptik war dieser Begriff mit Erwartung und Erlösung aufgeladen.
Im Alltag bedeutet das für uns: Jesus weiß, wovon er spricht – er bringt nicht Meinungen, sondern Wahrheit.
3. Die Kupferschlange als Deutung des Kreuzes
In Vers 14 kommt die direkte Verbindung zur Lesung aus Numeri:
„Wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden.“
Jesus erklärt hier sein eigenes Kreuz in alttestamentlichen Bildern.
Die Erhöhung hat eine doppelte Bedeutung:
äußerlich: die Erhöhung am Kreuz;
innerlich: die Erhöhung zur Herrlichkeit Gottes
Diese Umkehrung von Zeichen ist zentral für das Johannesevangelium: das Kreuz wird zum Thron. Jesus wird durch das, was äußerlich wie eine Niederlage aussieht, zum König erhöht.
Die STAMPS-Studienbibel schreibt dazu: „Die Erhöhung Christi ist der Wendepunkt der Geschichte – sie ist Gericht und Gnade zugleich.“
Der heilige Athanasius von Alexandrien schrieb im 4. Jahrhundert:
„Er wurde erhöht, damit wir emporblicken. Er wurde verwundet, damit wir geheilt werden.“ (Athanasius, De Incarnatione, Alexandria, 318 n. Chr.)
4. Ewiges Leben – der neue Zustand des Menschen
Ziel dieser Erhöhung ist, dass „jeder, der glaubt, in ihm ewiges Leben hat.“ Der Begriff ewiges Leben meint im Johannesevangelium nicht bloß ein Leben nach dem Tod, sondern eine neue Lebensqualität im Hier und Jetzt – verbunden mit Gott.
Glaube bedeutet hier nicht bloß Zustimmung, sondern existenzielle Bindung, Vertrauen, Beziehung.
Die Elberfelder Studienbibel hebt hervor: „Glauben an Christus bedeutet, sich selbst aus der Hand zu geben und in Gottes Hand zurückzulegen.“
Im Alltag: Ich kann ewiges Leben nicht verdienen – aber ich kann es empfangen. Der Blick auf Christus genügt, wenn er mit dem Herzen geschieht.
5. Der berühmteste Vers der Bibel – Johannes 3,16
„Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt …“ – dieser Satz wurde auf unzähligen Bannern bei Sportevents gezeigt, ist in Missionsbewegungen weltweit verbreitet und gehört zum Kern jeder Evangelisation. Und doch: Er ist keine banale Plattitüde, sondern eine radikale Wahrheit.
Gott liebt die Welt nicht wegen ihrer Schönheit oder Tugend – sondern trotz ihrer Schuld. Die Liebe Gottes ist ursächlich, einseitig, unverdient.
Bonhoeffer sagte: „Gott liebt den Menschen nicht, weil er so wertvoll wäre. Sondern der Mensch ist wertvoll, weil Gott ihn liebt.“
(Bonhoeffer, Nachfolge, München, 1937)
Diese Liebe hat Konsequenzen: Gott gibt seinen einzigen Sohn hin. Dieses „Hingeben“ ist mehr als ein Geschenk – es ist ein Opfer. In Christus gibt Gott sich selbst.
Die Stuttgarter Erklärungsbibel erläutert: „In diesem Vers bündeln sich Passion, Auferstehung und Sendung – das Herz des Evangeliums in einem Satz.“
6. Kein Gericht, sondern Rettung
Zum Abschluss folgt ein überraschender Zusatz: „Gott hat seinen Sohn nicht gesandt, um die Welt zu richten, sondern damit sie gerettet werde.“
Hier wird betont, dass das erste Ziel der Sendung Jesu die Rettung, nicht das Gericht ist.
Das bedeutet nicht, dass es kein Gericht gibt – aber dass das Angebot der Rettung vorausgeht. Wer sich dem Licht verweigert, richtet sich selbst (vgl. Joh 3,18–21).
Frère Roger von Taizé sagte dazu:
> „Christus hat nicht gekommen, um zu verurteilen, sondern um zu umarmen. Er heilt durch Zärtlichkeit.“ ( Briefe aus Taizé, 2001)
7. Alltag: Der Blick, der rettet
Im heutigen Leben haben viele Menschen Angst vor Gott. Sie denken an Gericht, Strafe, Ablehnung. Aber Johannes 3,17 ist klar: Jesus kam, um zu retten.
Ein freikirchlicher Pastor erzählte einmal von einem Mann, der ihm sagte: „Ich glaube, Gott will mich nicht sehen.“ Die Antwort war: „Doch – er hat seinen Sohn ans Kreuz gehängt, um dich zu sehen.“
Die Einladung steht: Wer auf Jesus schaut, empfängt Leben. Wer sich von der Liebe finden lässt, wird frei.
Alltagsrelevanz
Im Alltag erleben wir manchmal, wie wir durch Krisen hindurchgehen müssen, um heil zu werden – wie etwa nach einem schweren Verlust, einer Krankheit oder einem Bruch in Beziehungen. Das Kreuz steht als Zeichen dafür, dass Gott auch durch das Zerbrochene Neues schafft.
Ein evangelischer Christ erzählte einmal, dass er in einer Zeit tiefer Depression Tag für Tag nur ein Kreuz an seiner Wand anschauen konnte – ohne Worte, ohne Gebet. Und doch sei es genau dieser Blick gewesen, der ihn getragen habe.
Der heilige Johannes vom Kreuz formulierte es so: „Wenn du in Dunkelheit gehst, schau auf den Gekreuzigten – er ist das Licht, das dich führt.“
(Johannes vom Kreuz, Aufstieg zum Berge Karmel, Toledo, 1587)
III. Zusammenfassung und Auslegung von Philipper 2,6–11
Der gehorsame Knecht – bis zum Tod am Kreuz
Der Christus-Hymnus aus dem Philipperbrief zeigt den inneren Weg Jesu: Er war Gott gleich, doch er entäußerte sich selbst und wurde wie ein Mensch. Nicht nur das – er wurde gehorsam bis zum Tod am Kreuz. Daraufhin „erhöhte“ ihn Gott über alle und gab ihm den Namen, vor dem sich jedes Knie beugt.
Bibeltext: Philipper 2,6–11 – Der Weg Christi: Erniedrigung und Erhöhung
„Christus Jesus war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, Gott gleich zu sein,
sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich.
Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz.
Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen, damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde
ihr Knie beugen vor dem Namen Jesu und jeder Mund bekennt:
„Jesus Christus ist der Herr“ – zur Ehre Gottes, des Vaters.“
(Phil 2,6–11, Einheitsübersetzung)
1. Der historische Hintergrund des Philipperbriefs
Der Brief an die Philipper wurde vermutlich um das Jahr 55–60 n. Chr. aus der Gefangenschaft geschrieben – entweder aus Ephesus, Caesarea oder Rom. Die Gemeinde in Philippi war die erste christliche Gemeinde auf europäischem Boden (vgl. Apg 16), gegründet von Paulus selbst.
Inmitten einer Situation von Bedrängnis und Spaltung ruft Paulus die Gemeinde zu Einheit, Demut und Christusnachfolge auf. Das Herzstück dieser Ermahnung bildet ein Hymnus – wahrscheinlich ein vorpaulinisches Bekenntnis, das Paulus übernimmt und theologisch vertieft.
Die Stuttgarter Studienausgabe Neues Testament beschreibt diesen Hymnus als „liturgisch geformten frühchristlichen Lobgesang mit tiefem theologischen Gehalt“, der sowohl die Inkarnation als auch die Kreuzeserhöhung Christi umfasst.
2. Die Kernaussage: Der Weg nach oben führt nach unten
Zentraler theologischer Gedanke:
Erniedrigung führt zur Erhöhung – nicht umgekehrt.
Christus wird nicht erhöht trotz seiner Schwäche, sondern wegen seines Gehorsams bis zum Tod. Die Dynamik lautet:
→ Hinabsteigen in die Tiefe – dort beginnt der Aufstieg zur Herrlichkeit.
Diese biblische Umkehrung ist das radikale Zentrum des Evangeliums. Wer das Kreuz annimmt, wird erhöht – wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt (vgl. Mt 23,12).
3. „Er war Gott gleich“ – Die Göttlichkeit Christi
Der Hymnus beginnt mit einer revolutionären Aussage: Christus war „in Gottes Gestalt“. Das bedeutet nicht nur äußerliche Ähnlichkeit, sondern Wesensgleichheit. Christus war von Anfang an göttlich.
Die Neue Jerusalemer Bibel hebt hervor: „Hier begegnet uns eine der frühesten Aussagen über die Göttlichkeit Christi – nicht erst nach Ostern, sondern schon vor aller Zeit.“
Im Alltag heißt das: Jesus ist nicht nur ein Lehrer, Prophet oder Wundertäter – er ist der ewige Sohn Gottes.
4. „Er hielt nicht daran fest, Gott gleich zu sein“ – Freiwilliger Verzicht
Die göttliche Macht hätte Jesus zur Verfügung gehabt – aber er „hielt nicht daran fest“. Das griechische Wort harpagmos kann bedeuten: „etwas, das man festhält“ oder „ein Raubgut“. Christus nutzt seine Göttlichkeit nicht zur eigenen Vorteilsnahme, sondern zum Dienen.
Das ist eine direkte Gegenbewegung zur Versuchung im Paradies Genesis (1. Mose) 3,5, wo der Mensch „wie Gott sein“ wollte. Christus ist wie Gott – aber verzichtet auf den Anspruch.
Bonhoeffer formulierte es so: „Gott wird nicht Mensch in der Macht, sondern in der Ohnmacht.“ (Bonhoeffer, Nachfolge, München, 1937)
5. „Er entäußerte sich“ – Der Weg in die Menschlichkeit
Das Wort „entäußern“ (ekenōsen im Griechischen) bedeutet: sich leer machen, sich entblößen, alle Vorrechte ablegen.
Er wird „wie ein Sklave“ – das niedrigste Glied der antiken Gesellschaft. In römischer Vorstellung war der Sklave Eigentum, rechtlos, unter der Kontrolle anderer. Christus nimmt diese Rolle freiwillig an.
Die Elberfelder Studienbibel notiert: „Christus wurde nicht nur Mensch, sondern Mensch am Rand – ganz unten.“
Das ist nicht frommes Bild, sondern Realität: geboren in einem Stall, aufgewachsen als Sohn eines Handwerkers, gestorben wie ein Verbrecher.
Im Alltag bedeutet das: Christus kennt deine Schwäche, deinen Schmerz, deine Ohnmacht – weil er sie selbst getragen hat.
6. „Gehorsam bis zum Tod“ – Der radikale Gehorsam Jesu
Der Höhepunkt dieses ersten Abschnitts: „bis zum Tod, ja zum Tod am Kreuz.“
Der Kreuzestod war im römischen Recht die schlimmste, entehrendste Strafe – reserviert für Sklaven und Aufständische. Der Philosoph Cicero schrieb:
„Das Kreuz ist so grausam, dass ein römischer Bürger nicht einmal daran denken darf.“ (Cicero, Pro Rabirio, 63 v. Chr.)
Der Gehorsam Jesu besteht darin, dass er nicht flieht, nicht kämpft, nicht schweigt – sondern sich hingibt.
Die STAMPS-Studienbibel erklärt: „Jesu Gehorsam ist nicht blind, sondern aus Liebe geboren. Er weiß, was es kostet – und geht dennoch.“
7. „Darum hat ihn Gott erhöht“ – Der Wendepunkt des Hymnus
Jetzt folgt die Umkehrung: Weil Christus sich erniedrigt hat, darum erhöht ihn Gott. Der „Name über alle Namen“ (Jesus = „Gott rettet“) wird ihm verliehen.
Die Struktur ist scheinbar widersprüchlich:
Erniedrigung Erhöhung
Menschengestalt Name über alle Namen
Sklave Herr
Kreuz = Kniebeugung
Die Stuttgarter Erklärungsbibel betont: „Die Erhöhung ist keine Belohnung, sondern die göttliche Bestätigung des Weges Jesu.“
8. „Damit sich alle Knie beugen“ – Der universale Herrschaftsanspruch
Die universale Wirkung:
Im Himmel (Engel), auf der Erde (Menschen) und unter der Erde (Totenreich) – alle erkennen die Herrschaft Jesu an.
Diese Aussage ist bewusst universell formuliert. Sie übersteigt ethnische, religiöse, kosmische Grenzen.
Martin Luther schrieb: „Wo Christus regiert, da muss alles andere weichen. Nicht mit dem Schwert, sondern mit dem Wort.“
(Luther, Auslegung des Philipperbriefs, Wittenberg, 1520)
9. „Jesus Christus ist der Herr“ – Das christliche Glaubensbekenntnis
Dieser letzte Vers ist nicht nur theologisches Fazit, sondern liturgisches Bekenntnis. Der Titel „Herr“ (Kyrios) war im Römischen Reich dem Kaiser vorbehalten – hier wird er bewusst auf Christus übertragen.
Das ist ein politisches Bekenntnis: Jesus ist der wahre Herr, nicht Caesar.
Es ist ein spirituelles Bekenntnis: Jesus regiert nicht durch Gewalt, sondern durch Liebe.
10. Was das für meinen Alltag bedeutet
Ich möchte mir von Christus zeigen lassen, dass wahre Größe sich nicht in Macht, sondern im Dienen zeigt.
Ich möchte aufhören, mich selbst zu erhöhen – und lernen, mich Gott anzuvertrauen.
Ich möchte verstehen, dass der Weg des Kreuzes kein Umweg, sondern der Weg der Liebe ist.
Ich möchte mich täglich neu entscheiden: für Demut, für Gehorsam, für das Bekenntnis „Jesus Christus ist der Herr“.
Hier liegt der inhaltliche Schwerpunkt der heutigen Predigt: Die Erniedrigung führt zur Erhöhung. Kein anderer Text bringt die Logik des Kreuzes so klar zum Ausdruck. Es ist nicht Macht, die rettet, sondern Demut. Nicht Gewalt, sondern Hingabe.
Die Stuttgarter Studienausgabe Neues Testament beschreibt diesen Text als eine „Frühform christlicher Liturgie und Bekenntnissprache“, die zeigt, dass Jesus nicht trotz, sondern wegen des Kreuzes erhöht wurde.
Papst Benedikt XVI. sagte in einer Karfreitagspredigt: „Das Kreuz ist das wahre Königtum Christi. Es ist die einzige Krone, die keinen Stolz kennt, sondern nur Liebe.“ (Benedikt XVI., Karfreitagspredigt, Vatikan, 2008)
Was ich daraus lernen möchte
Ich möchte lernen, dass Gottes Weg oft nicht der meine ist – dass ich in schwierigen Momenten nicht nach schnellen Auswegen suchen muss, sondern nach dem Blick auf das Kreuz. Ich möchte mehr Vertrauen wagen: dass Gott aus der größten Schwäche das tiefste Heil wirken kann. Ich möchte mich nicht mehr über die Umwege meines Lebens beschweren, sondern sie im Licht des Kreuzes neu deuten. Vor der Erhöhung kommt die Demut; auch die Einordnung und manchmal sogar die Unterordnung in Gemeinde und Gesellschaft.
Ich will auch dann glauben, wenn ich nichts sehe – und beten, wenn ich nur noch klagen kann. Denn wer aufblickt zum Kreuz, wird leben.
Sieben Fürbitten
Herr, wir bitten dich für alle Menschen, die in Krisen, Katastrophen oder Kriegen den Mut verlieren – zeige ihnen das Kreuz als Zeichen deiner Nähe.
Herr, wir bitten dich für alle Christinnen und Christen, die verfolgt werden – schenke ihnen den Trost des erhöhten Christus.
Herr, wir bitten dich für unsere Gemeinden – mache sie demütig, dass sie nicht sich selbst erhöhen, sondern Christus allein.
Herr, wir bitten dich für alle, die sich selbst überfordert fühlen – lehre sie, wie du zu dienen, statt zu dominieren.
Herr, wir bitten dich für unsere Gesellschaft – dass Gerechtigkeit und Barmherzigkeit Hand in Hand gehen.
Herr, wir bitten dich für die Verantwortlichen in Politik und Medien – dass sie die Wahrheit nicht manipulieren, sondern dienen.
Herr, wir bitten dich für uns selbst – dass wir im Kreuz nicht nur Leid, sondern auch Hoffnung erkennen und aus ihr leben.
Literaturhinweise:
Benedikt XVI. Karfreitagspredigt. Vatikan, 2008.
Bonhoeffer, Dietrich. Widerstand und Ergebung. München: Chr. Kaiser Verlag, 1951.
Bonnke, Reinhard. Living a Life of Fire. Orlando: Full Flame Publishing, 2010.
Elberfelder Bibel. Edition mit Erklärungen. Wuppertal: R. Brockhaus Verlag, 2023.
Graham, Billy. Peace with God. Waco: Word Books, 1953.
Johannes vom Kreuz. Aufstieg zum Berge Karmel. Toledo, 1587.
Neue Jerusalemer Bibel. Freiburg: Herder, 1985.
Roger, Frere von Taizé. Gott kann nur lieben. Taizé: Edition Taizé, 2003.
Stuttgarter Erklärungsbibel. Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft, 2007.
Stuttgarter Neues Testament, kommentierte Studienausgabe. Stuttgart: Katholisches Bildungswerk, 2024.
Stuttgarter Studienausgabe Altes und Neues Testament mit Lexikon. Stuttgart: Katholisches Bildungswerk, 2024.
STAMPS-Studienbibel. Witten: SCM R. Brockhaus, 2015.
Onlinequellen:
https://www.vaticannews.va/de/evangelium-des-tages.html
https://schott.erzabtei-beuron.de
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Predigten Nr.: 3: Fünf Predigtvarianten zur Kreuzerhöhung
Im Folgenden werden fünf vollständig ausgearbeitete Predigtvarianten zu den bereits oben genannten Bibeltexten zur Kreuzerhöhung, basierend auf den Bibelstellen Numeri 21,4–9; Johannes 3,13–17; Philipper 2,6–11 dargestellt. Jede Predigt wurde gemäß den theologischen, stilistischen und pastoralen Vorgaben erstellt und spiegelt eine eigenständige Perspektive und Stilform wider.
Teil 3: Fünf Predigten in Variationen:
A) Dialogische Predigt
B) Narrative Predigt
C) Monologische Predigt
D) Biographische Predigt
E) Ikonographische Predigt
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A) Dialogische Predigt: „Zwischen Auflehnung und Rettung – das Kreuz verstehen“
Lina: Elia, ich hab den Text mit den Schlangen gelesen – Numeri 21. Und ehrlich gesagt: Ich tu mich schwer damit. Warum schickt Gott Schlangen, wenn die Menschen sich aufregen? Das klingt nach Vergeltung, nicht nach Liebe.
Elia: Ich versteh deinen Impuls. Der Text wirkt schroff. Aber weißt du, was mir geholfen hat? Ich hab entdeckt: Es geht hier nicht in erster Linie um Strafe – sondern um Wahrheit. Die Schlangen zeigen, was im Inneren des Volkes passiert ist: Misstrauen, Auflehnung, ein geistlicher Zerfall.
Lina: Aber ist das nicht übertrieben? Sie haben sich doch nur beschwert. Verständlich, nach so vielen Jahren Wüste, oder?
Elia: Ja – aber es war nicht nur eine Beschwerde. Der hebräische Text benutzt hier das Wort „dabar“ – das bedeutet nicht nur „sagen“, sondern „sich gegen jemanden auflehnen“. Es war eine tiefe Ablehnung gegen Mose und gegen Gott. Und genau das bringt der Text ans Licht.
Lina: Und dann diese Kupferschlange. So eine seltsame Rettungsmethode. Warum gerade eine Schlange?
Elia: Das hat mich auch lange irritiert. Aber die Stuttgarter Studienausgabe erklärt, dass Gott dem Volk ein Bild ihres eigenen Ungehorsams vor Augen stellt. Die Schlange steht für die Gefahr – aber auch für das, was sie besiegen können, wenn sie vertrauen. Die Rettung besteht darin, den Schmerz anzusehen, nicht zu verdrängen.
Lina: Das erinnert mich an Jesus am Kreuz. Der auch erhöht wurde. Das Evangelium spricht das ja direkt an.
Elia: Genau! Johannes 3 nimmt direkt Bezug: „Wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden.“ (Joh 3,14) – Jesus ist das neue Zeichen, das neue Kupfer. Kein Tier aus Metall, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut – der uns zeigt, was unser Stolz, unser Misstrauen kostet.
Lina: Und trotzdem liebevoll bleibt?
Elia: Ja. Genau das ist der Unterschied. Die Schlange war eine Mahnung. Jesus ist Heilung. Nicht, weil Gott schwächer geworden wäre, sondern weil er tiefer gegangen ist. Der Philipperbrief erklärt das wunderbar: „Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest … sondern entäußerte sich.“ (Phil 2,6–7)
Lina: Aber du kennst doch auch unsere Gemeinden. Viele sagen: „Leitung hat versagt, Strukturen sind kaputt.“ Muss man sich da wirklich immer unterordnen?
Elia: Nein, nicht blind. Und das ist wichtig. Aber weißt du – ich sehe auch das andere: Viele junge Pastoren geben auf. Weil sie nicht mehr dienen können, ohne ständig kritisiert zu werden. Weil jedes Leitungshandeln sofort als Machtanspruch gewertet wird. Und ich frage mich: Wie wollen wir geistlich wachsen, wenn wir jede Autorität ablehnen – sogar die dienende?
Lina: Das klingt nach einem schwierigen Gleichgewicht.
Elia: Ist es auch. Aber die Bibel kennt beides: Die Mahnung, Gehorsam zu verweigern, wenn Unrecht geschieht – und gleichzeitig die Einladung, sich zu fügen, wenn die Leitung im Geist Christi handelt. Der Katechismus sagt dazu: „Die Kirche ist keine Demokratie, sondern ein geistlicher Leib, in dem Dienste aus der Sendung heraus erwachsen.“ (KKK, Nr. 874)
Lina: Aber was ist mit den Missbrauchsskandalen? Und mit Bewegungen wie Maria 2.0, die sagen: Die Kirche muss sich von innen heraus ändern.
Elia: Ich verstehe das Rufen nach Gerechtigkeit. Aber ich sehe auch Widersprüche. Wenn Maria 2.0 z. B. die Priesterweihe für Frauen fordert, obwohl der Papst mit Berufung auf Jesus klar gesagt hat: „Die Kirche erkennt sich nicht berechtigt, Frauen die Priesterweihe zu spenden.“ (Johannes Paul II., Ordinatio sacerdotalis, 1994) – dann stellt sich die Bewegung gegen den gemeinsamen Glaubenssinn der Kirche.
Lina: Und was ist mit Sexualethik? Maria 2.0 will z. B. gleichgeschlechtliche Paare kirchlich segnen lassen.
Elia: Auch das widerspricht dem Katechismus. Dort heißt es: „Homosexuelle Handlungen sind in sich nicht in Ordnung“, aber gleichzeitig: „Sie sind mit Achtung, Mitleid und Takt aufzunehmen.“ (KKK 2357–2358). Das ist keine Verurteilung von Personen, sondern ein Festhalten an der biblischen Ordnung.
Lina: Also zurück zu Numeri: Es geht um Rebellion – aber auch um Heilung?
Elia: Ganz genau. Die Schlange zeigt den Schmerz. Das Kreuz zeigt die Liebe. Und der Philipperbrief zeigt den Weg: Erniedrigung, Hingabe, Gehorsam – nicht aus Angst, sondern aus Vertrauen.
Lina: Dann sag mir bitte: Wo ist für dich heute der „Kupferblick“, der rettende Blick?
Elia: Für mich? Das stille Gebet vor dem Kreuz. Das Gespräch mit Brüdern und Schwestern, die mir Wahrheit sagen. Und immer wieder das Evangelium: „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt …“ (Joh 3,16) – das ist keine Theorie. Das ist die Tür zur Rettung.
Lina (leise): Und ich glaube … ich will wieder hinsehen.
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B) Narrative Predigt: „Der Blick, der rettet“
Erzählanfang – in der Gegenwart
Es war ein heißer Spätsommernachmittag. In der alten Kirche am Stadtrand saß eine Frau allein in der Bank. Die Sonne fiel durch das Fenster über dem Altar und zeichnete ein Kreuz aus Licht auf den Steinboden. Die Frau hieß Klara. Sie hatte eine schwierige Woche hinter sich: Die Gemeindeversammlung war eskaliert. Worte waren gefallen, die man nicht zurücknehmen konnte. Man hatte gestritten über Strukturen, über Entscheidungen der Leitung – über Gerechtigkeit und Gehorsam.
Klara fühlte sich zerrissen. Sie liebte ihre Gemeinde. Und doch spürte sie: etwas war zerbrochen. Nicht nur zwischen Menschen – sondern auch in ihr.
In der Stille öffnete sie ihre Bibel. Der Text des Tages war – wie ausgerechnet – die Geschichte aus dem Buch Numeri.
Zurück in die Wüste – Numeri (4. Mose) 21,4–9
In Gedanken war sie plötzlich nicht mehr in der Kirchenbank, sondern in der Wüste. Sie sah sie vor sich: das Volk Israel, erschöpft, müde, zornig. Das Manna schmeckte ihnen nicht mehr. Das Wasser war knapp. Die Wüste schien kein Ende zu nehmen.
Und dann die Rebellion: „Warum habt ihr uns aus Ägypten geführt – um hier zu sterben?“ Die Bibel berichtet, dass sie sich gegen Gott und gegen Mose auflehnten. Es war mehr als Frust – es war die Ablehnung des göttlichen Weges.
Dann kamen die Schlangen. Die Menschen starben. Und dann – die Wendung: Gott lässt Mose eine Schlange aus Kupfer machen und erhöht sie. Wer gebissen wurde, sollte sie anschauen – und leben.
Klara schlug das Buch wieder zu. Was war das für ein Gott? Einer, der rettet durch das Ansehen des Schmerzes?
Ein Blick, der nicht abwendet – Johannes 3,13–17
Ihre Gedanken wanderten weiter zum Evangelium. Jesus spricht mit Nikodemus. „Wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden.“
Jesus am Kreuz – erhöht wie die Kupferschlange. Auch sein Anblick rettet – aber nicht, weil er schrecklich ist, sondern weil er die Wahrheit zeigt: Die Welt ist krank, voller Auflehnung, voller Stolz – und dennoch: Gott liebt sie.
„Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt …“ – diese Worte flüstert Klara halblaut. Sie spürt, wie diese Liebe nicht gegen sie steht – sondern für sie kämpft.
Die Tiefe der Erniedrigung – Philipper 2,6–11
Sie blättert weiter zum Brief an die Philipper. Paulus beschreibt Jesus – nicht als Herrscher, nicht als Richter, sondern als Diener.
„Er erniedrigte sich … bis zum Tod am Kreuz.“
Diese Worte lassen Klara nicht los. Wer sich heute klein macht, wird oft übersehen. Doch Jesus – der sich klein machte – wurde erhöht. Weil er liebte. Weil er diente. Weil er gehorchte – nicht blind, sondern mit dem Herzen.
Ein Echo in der heutigen Zeit
In Klaras Gemeinde ging es – wie so oft – um Leitung. Um Macht. Um Vertrauen. Einige Mitglieder hatten sich gegen die Leitung gestellt, mit harten Worten. Einige Anführer hatten ebenfalls Fehler gemacht.
Doch die wahre Wunde, das erkannte Klara jetzt, war die gleiche wie in der Wüste: Misstrauen gegen Gott – und Misstrauen gegeneinander.
Sie dachte an die Corona-Zeit, an die Debatten über Obrigkeit, Maskenpflicht, Gehorsam. Auch da war viel Gift in den Gesprächen. Viele wussten es besser. Einige junge Pastoren, die sie kannte, waren ausgebrannt. Nicht weil sie schlecht geführt hätten – sondern weil niemand mehr folgen wollte.
Und dann sah sie in der Erinnerung das Gesicht eines dieser Pastoren: Simon, 34 Jahre alt, liebevoll, geistlich, klar. Er hatte aufgegeben. Nicht wegen der Pandemie – sondern wegen des Dauerkonflikts mit der Gemeinde.
Was Klara erkennt
In der Kirchenbank sitzt sie aufrecht. Das Kreuz aus Licht auf dem Boden hat sich bewegt. Klara blickt auf das Kreuz über dem Altar. Sie denkt an die Kupferschlange – und an Jesus. Und sie sagt leise:
„Ich will lernen, wieder hinzusehen. Nicht mit Anklage, sondern mit Vertrauen.“
Sie weiß, dass Jesus kein Tyrann ist. Kein System, das unterdrückt. Sondern: der Diener, der heilt. Sie denkt an das Wort aus dem Epheserbrief: „Er hat der Gemeinde gegeben: Apostel, Hirten, Lehrer – um die Heiligen auszurüsten für das Werk des Dienstes.“ (Eph 4,11–12)
Schlussbild
Als Klara die Kirche verlässt, geht sie nicht mit einem fertigen Plan. Aber mit einem neuen Blick: weg vom Streit – hin zum Kreuz.
Ein Blick, der heilt.
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C) Monologische Predigt: „Kreuz und Auflehnung – ein Blick in den Spiegel“
Die Kernaussage zu Beginn
Liebe Gebetsatelierfreunde und -freundinnen und Leser, aus aller Welt,
das heutige Hochfest der Kreuzerhöhung führt uns mitten hinein in die Fragen von Auflehnung, Gehorsam, Heilung und geistlicher Autorität. Die Texte aus Numeri 21, Johannes 3 und Philipper 2 verbinden die alte Geschichte des Aufruhrs in der Wüste mit dem zentralen Geheimnis unseres Glaubens: Christus, erhöht am Kreuz – zur Rettung der Welt.
Die Bibelstellen
Erste Lesung: Numeri 21,4–9
Evangelium: Johannes 3,13–17
Zweite Lesung: Philipper 2,6–11
Zusammenfassungen der Texte
In Numeri 21 sehen wir das Volk Israel, das in der Wüste gegen Mose und Gott rebelliert. Sie klagen über Nahrung und Führung. Gott lässt Feuerschlangen unter sie kommen – eine harte Lektion. Doch er schenkt Heilung: Eine Kupferschlange wird erhöht, und wer sie anschaut, bleibt am Leben.
Im Johannesevangelium sagt Jesus, dass auch er erhöht werden muss – wie Mose die Schlange erhöht hat. Wer auf ihn blickt und glaubt, wird gerettet.
Der Philipperbrief beschreibt Jesus als den, der sich nicht an seiner göttlichen Macht festhielt, sondern sich entäußerte, gehorsam wurde – bis zum Tod am Kreuz. Gott hat ihn dafür über alle erhöht.
Die Rebellion in der Wüste – und heute
Ich habe mich oft gefragt: Warum diese drastische Geschichte mit den Schlangen? Die Antwort liegt tiefer. Das Volk will nicht einfach nur Wasser. Es lehnt sich gegen die Ordnung Gottes auf. Die Stuttgarter Erklärungsbibel nennt dies einen existentiellen Abbruch des Vertrauensverhältnisses zwischen Gott und seinem Volk.
Und ich frage mich: Sehen wir das nicht auch heute? In unseren Gemeinden? In uns selbst?
Es gibt in vielen Gemeinschaften – besonders in freikirchlichen – ein Phänomen, das ich „fromme Rebellion“ nenne: eine dauerhafte, unterschwellige Ablehnung von Leitung. Ich habe junge Pastoren gesehen, die aufgaben, weil sie täglich mit Misstrauen, Widerstand, Kritik konfrontiert wurden – obwohl sie liebevoll und bibeltreu leiteten.
Geistliche Leitung als Dienst – nicht als Diktatur
Natürlich: geistliche Leitung darf nie herrschen. Jesus selbst sagt: „Wer groß sein will, diene.“ (Mt 20,26) Der Katechismus der Katholischen Kirche formuliert es so: „Die geistliche Vollmacht dient zur Auferbauung der Kirche, nicht zur Herrschaft.“ (KKK 874–875) Und Martin Luther schreibt im Großen Katechismus: „Ein Predigtamt ist kein Zwangsamt, sondern ein Dienstamt.“
Aber ebenso klar ist: Die Bibel kennt die Idee von Unterordnung, solange sie dem Evangelium entspricht. Der Apostel Petrus schreibt: „Ordnet euch euren Hirten unter mit Demut.“ (1 Petr 5,5)
Gehorsam ohne Blindheit – das Milgram-Argument
Jetzt höre ich manche sagen: „Aber was ist mit dem Missbrauch von Macht? Was ist mit Gehorsam um des Gehorsams willen?“
Ich nehme das ernst. Sprecher 2 unseres Streitgesprächs hat zurecht auf das Milgram-Experiment hingewiesen, bei dem Menschen unter Autoritätsdruck bereit waren, anderen Schmerzen zuzufügen. Auch der Film „Die Welle“ zeigt, wie leicht totalitäre Dynamiken entstehen. Diese Warnung bleibt wichtig.
Aber: Das ist nicht das, was die Bibel meint. Geistliche Leiterschaft soll nicht unterdrücken, sondern ausrüsten (Eph 4,11–12). Gottes Ordnung ist keine Manipulation – sondern ein Schutzraum.
Maria 2.0 – berechtigter Protest oder Verstoß gegen den Glauben?
Einige Bewegungen, wie Maria 2.0, sprechen wichtige Themen an: Missbrauch, Transparenz, Mitbestimmung. Doch sie fordern auch die Priesterweihe für Frauen und die Segnung homosexueller Paare. Beides widerspricht der kirchlichen Lehre.
Papst Johannes Paul II. sagte 1994 unmissverständlich: „Die Kirche erkennt sich nicht berechtigt, Frauen die Priesterweihe zu spenden.“ (Ordinatio sacerdotalis)
Und der Katechismus betont: „Homosexuelle Handlungen widersprechen dem natürlichen Sittengesetz.“ (KKK 2357), bei gleichzeitigem Aufruf zur Achtung und Seelsorge (KKK 2358).
Das Kreuz als Mitte
All das führt mich zur Mitte: das Kreuz. Es ist das Zeichen, an dem sich alles entscheidet. Dort ist kein Raum für Rebellion, keine Bühne für Ego. Dort ist Erniedrigung, Hingabe, Gehorsam – aus Liebe.
Jesus hat nicht gehorcht, weil er musste – sondern weil er liebte. Deshalb wurde er erhöht.
Was ich daraus lernen möchte
Ich möchte mich selbst prüfen: Wo lehne ich mich innerlich auf? Gegen Gott? Gegen geistliche Führung? Wo fällt es mir schwer, mich einzufügen? Und: Wo bin ich als Leiter vielleicht zu hart, zu stolz, zu unnahbar gewesen?
Ich will den Blick zur erhöhten Schlange wagen – und erkennen, was geheilt werden muss.
Ich will auf das Kreuz schauen – und lieben, wie er geliebt hat.
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D) Biographische Predigt: „Im Schatten des Kreuzes – Dietrich Bonhoeffer und der Gehorsam“
Bibelstellen: Numeri 21,4–9, Johannes 3,13–17, Philipper 2,6–11
Liebe Gebetsatelierfreunde und -freundinnen und Leser, aus aller Welt,
heute lade ich euch ein auf eine besondere Reise: Wir gehen durch die Bibel – aber an der Seite eines Mannes, der das Kreuz nicht nur gepredigt, sondern getragen hat: Dietrich Bonhoeffer.
Er war ein deutscher evangelischer Theologe, mutig, klar, kompromisslos. Und er wurde 1945 in Flossenbürg von den Nazis ermordet. Doch seine Gedanken – und sein Leben – leuchten bis heute. Denn sie stehen in einer Linie mit den drei heutigen Lesungstexten: mit dem aufbegehrenden Volk in der Wüste, mit dem erhöhten Christus und mit dem Ruf zum Gehorsam.
Ein Volk rebelliert – und Gott heilt durch das Erhöhte (Numeri 21)
Bonhoeffer hätte diesen Text aus Numeri gut verstanden. Die Israeliten sind müde, ausgelaugt, desillusioniert. Sie beschweren sich über Gottes Weg und lehnen Mose als Führer ab. Die Folge: Chaos, Schmerz, Tod. Erst als sie anerkennen, dass sie gesündigt haben, beginnt der Weg der Heilung. Mose errichtet die Kupferschlange – wer auf sie schaut, lebt.
Bonhoeffer schrieb in einem Brief aus dem Gefängnis:
„Erst wenn wir das Leiden nicht nur als Übel, sondern als Ruf Gottes begreifen, fängt Leben an.“
Was bedeutet das für uns heute? Vielleicht, dass wir in den Krisen unserer Zeit – Pandemie, Kirchenspaltung, Vertrauensverluste – lernen müssen, wieder auf das Erhöhte zu schauen. Nicht auf Menschen, nicht auf Systeme – sondern auf das Kreuz.
Gott erniedrigt sich – und rettet (Philipper 2)
Im Philipperbrief lesen wir: Christus war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest. Er entäußerte sich – wurde ein Diener – und gehorchte bis zum Tod.
Bonhoeffer kommentierte das so:
„Gehorsam ist nicht Knechtschaft, sondern Freiheit im Willen Gottes.“
Das war nicht bloß eine Theorie. Bonhoeffer gab seine Karriere, seine Verlobung, seine Freiheit auf – weil er überzeugt war, dass Gottes Ruf Gehorsam verlangte. Ein Gehorsam, der nicht blind war, sondern durchdrungen vom Kreuz Christi.
Sein Widerstand gegen Hitler war kein politisches Manöver. Er war Ausdruck seines Glaubens: „Nur wer für die Juden schreit, darf auch gregorianisch singen.“ Das schrieb er 1933.
Sein Gehorsam kostete ihn das Leben. Aber er wusste, wem er folgte.
Wie Mose die Schlange erhöht hat … (Johannes 3)
Jesus sagt zu Nikodemus: „Der Menschensohn muss erhöht werden.“ Nicht auf einem Thron. Sondern am Kreuz.
Auch Bonhoeffer hatte ein Kreuz zu tragen. Im Gefängnis schrieb er:
„Wenn Christus uns ruft, dann ruft er uns, zu kommen und zu sterben.“
Das ist schwer. Das widerspricht unserer Kultur. Es widerspricht dem, was viele christliche Gruppen heute lehren – Wohlstand, Komfort, Individualismus. Aber: Es ist Evangelium.
Jesus heilt uns nicht, indem er uns verwöhnt – sondern indem er sich hingibt. Er verändert nicht zuerst die Welt um uns, sondern das Herz in uns.
Maria 2.0 und das Thema Gehorsam
Bonhoeffer kritisierte kirchliche Macht ebenso wie blinden Gehorsam. Aber er unterschied klar zwischen menschenzentrierten Reformforderungen und geistlichem Gehorsam. Ich denke hier an die Bewegung Maria 2.0. Ihre Kritik an Machtmissbrauch ist berechtigt. Doch ihre Forderung nach Frauenpriestertum widerspricht der klaren Lehre der Kirche:
Papst Johannes Paul II. formulierte 1994 unmissverständlich:
„Die Kirche erkennt sich nicht berechtigt, Frauen die Priesterweihe zu spenden.“ (Ordinatio Sacerdotalis, 1994)
Bonhoeffer hätte vermutlich geantwortet: „Kirche darf nicht nach unserer Vernunft gestaltet werden, sondern muss dem Wort Gottes folgen.“
Vielleicht sollte eine Pastoralreferentin einfach mehr Verantwortung übernehmen dürfen? Ob es im Neuen Testament Apostelinnen gab? Ich habe den Eindruck. Eine Pastoralreferentin, die als Apostelin Priester in einer Gemeinde als Dienstvorgesetzte leitet? Lass uns weise sein!
Was ich daraus lernen möchte
Ich spüre bei Bonhoeffer eine Ehrlichkeit, die mir zu schaffen macht. Ich frage mich:
Wo rebellieren auch wir – nicht wie in der Wüste – aber mit dem Kopf, mit der Kritik, mit der Verweigerung?
Wo fordern wir Veränderung, ohne zuerst auf das Kreuz zu schauen?
Wo verteidige ich meine Meinung – statt zuerst Gott zu fragen, was er will?
Ich will lernen, wie Bonhoeffer zu leben:
Mit klarem Blick auf das Kreuz.
Mit Mut zum Gehorsam.
Mit Vertrauen, dass Gott erhöht, was vor der Welt niedrig ist.
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E) Ikonographische Predigt: „Erhöht – das Kreuz als Heilmittel der Menschheit“
Bibelstellen: Numeri 21,4–9, Johannes 3,13–17, Philipper 2,6–11
Liebe Gebetsatelierfreunde und -freundinnen und Leser, aus aller Welt,
manchmal sagt ein Bild mehr als viele Worte. Und manchmal ist es genau das Bild, das uns tief hineinführt in das Herz des Evangeliums. So auch heute: Das Hochfest der Kreuzerhöhung stellt uns eine Szene vor Augen, die viele Maler über Jahrhunderte hinweg dargestellt haben.
Ich lade euch ein, ein solches Bild innerlich zu betrachten: Die erhöhte kupferne Schlange in der Wüste – und daneben, als überblendete zweite Ebene: der gekreuzigte Christus. Zwei Szenen, ein Sinn. Zwei Erhöhungen – eine Heilung.
Das Gemälde vor Augen: „Moses mit der kupfernen Schlange“
Das barocke Gemälde „Moses mit der kupfernen Schlange“ von Peter Paul Rubens zeigt eine chaotische Szene: Menschen liegen auf dem Boden, von Schlangen gebissen. Verzweifelte Gesichter, verdrehte Körper, ein Gewirr aus Armen, Beinen, Zähnen. Über allem: die Schlange aus Bronze, an einer Stange, die Moses erhöht hält. Wer hinschaut, wird gerettet.
Dieses Bild ist keine bloße Illustration – es ist Theologie mit Pinsel und Leinwand. Es erzählt von Rebellion, Gericht – und Heilung durch Gehorsam und Blickwendung.
Erhöht zur Heilung – die Schlange in der Wüste (Numeri 21)
Die Israeliten lehnen sich gegen Gott und Mose auf – wie auf dem Gemälde sichtbar: mit finsteren, trotzigen Gesichtern. Sie verachten das Manna, sie beschuldigen Mose, sie misstrauen dem Weg. Das Ergebnis: Todbringende Schlangen, Sinnbild für das Böse, für Sünde und Gericht.
Doch Gott gibt ein Zeichen: eine kupferne Schlange. Sie wird erhöht – nicht damit sie angebetet wird, sondern als Blick-Wendung, als Zeichen der Umkehr. Die Neue Jerusalemer Bibel erklärt: „Das Kupferbild der Schlange widerspricht nicht dem ersten Gebot, sondern fordert zur Glaubensentscheidung.“
Das Kreuz in der Ikone – und der Blick nach oben (Joh 3)
Jesus selbst nimmt in Johannes 3 das Bild auf – und verbindet es mit sich selbst: „Wie Mose die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden.“ Es ist die ikonographische Verbindung zwischen dem Alten und dem Neuen Bund.
In byzantinischen Kreuzigungsdarstellungen ist dies besonders deutlich: Christus hängt am Kreuz – aber mit offenen Augen, oft sogar bekleidet in königlichem Purpur. Warum? Weil das Kreuz nicht nur Ort des Todes, sondern Ort der Erhöhung und Herrlichkeit ist.
Der Kreuzestod ist nicht Niederlage – sondern der Ort des göttlichen Sieges. In der Sprache der Ikonen heißt das: Die Höhe ist tiefer als der Abgrund – weil sie sich selbst erniedrigt.
Die Gestalt Christi im Philipperhymnus
Im Philipperbrief lesen wir die Theologie hinter dem Bild: „Er erniedrigte sich… Darum hat ihn Gott über alle erhöht.“ (Phil 2,8–9)
Auf dem ikonographischen Weg ist das Kreuz kein Symbol der Schande, sondern ein königlicher Thron. So zeigt es z. B. das berühmte Mosaik im Kloster Hossios Loukas in Griechenland: Christus am Kreuz – mit Nimbus, mit goldener Schrift „IC XC“, als Pantokrator. Das Kreuz ist dort Thron, Altar und Quelle des Lebens zugleich.
Ein dritter Blick: Maria unter dem Kreuz
Viele Bilder zeigen unter dem Kreuz die Mutter Jesu. Ihre Haltung? Schweigend. Gehorsam. Liebend. Sie widerspricht nicht, sie steht. In der katholischen Tradition ist sie Stabat Mater– die Mutter, die steht.
In der Theologie des Kreuzes ist auch das eine ikonographische Botschaft: Widerstand gegen Gottes Wege führt zum Tod. Demütige Annahme führt zum Leben.
Moderne Deutung: Das Kreuz in der Stadt
Ich habe einmal ein modernes Kunstwerk gesehen, mitten in einer Fußgängerzone: ein schlichtes Metallkreuz, aufgerichtet auf einem Granitblock. Davor eine Bank. Keine Inschrift. Kein Kitsch. Nur das Kreuz. Und doch: Jeder, der dort Platz nahm, schaute – manchmal bewusst, manchmal unbewusst – nach oben. Das Kreuz stand da – nicht als Mahnmal, sondern als Einladung.
Genauso steht es in unserem Leben. Immer wieder. In der Mitte. In der Öffentlichkeit. Und wartet: auf unseren Blick. Auf unseren Glauben.
Was ich daraus lernen möchte
Ich möchte neu lernen, die Zeichen Gottes zu sehen. Das Kreuz nicht zu übersehen inmitten der vielen Stimmen unserer Zeit. Ich möchte nicht wie das Volk in der Wüste rebellieren – sondern hinschauen. Hinhören. Vertrauen.
Ich möchte mein Herz neu auf das Kreuz ausrichten – nicht als Foltersymbol, sondern als Quelle des Heils. Ich will die Bilder Christi annehmen – als Gegenbild meiner selbst. Und: Ich möchte in den Spuren Mariens stehen – unter dem Kreuz, liebend, schweigend, glaubend.
ENDE