Gebet ist das liebevolle Gespräch mit Gott!

Predigt: 24. August 2025

 

Thema: Die enge Tür

Bibeltexte des 21. Sonntags im Jahreskreis (24. August 2025):

 

Jesaja 66,18–21    

 

Lukas 13,22–30

Hebräer 12,5–7.11–13

 

 

Liebe Gebetsatelierfreunde und -freundinnen,

 

drei Texte – drei Perspektiven auf den Weg mit Gott: Jesaja ruft zu einer weltweiten Sammlung der Völker, Jesus fordert zur Entscheidung auf, und der Hebräerbrief mahnt zur Standhaftigkeit in der Zucht Gottes. In allen drei Lesungen zeigt sich ein gemeinsames Grundthema: Gott ruft – aber der Weg ist eng, fordernd und verlangt klare Antwort.

 

Zusammenfassung der Lesung aus Jesaja 66,18–21:

 

Der Prophet Jesaja übermittelt eine Vision der universalen Heilsverheißung. Gott kennt alle Nationen, ihre Gedanken und Werke. Er versammelt sie und offenbart ihnen seine Herrlichkeit. Einige Überlebende werden zu fernen Inseln gesandt, um Gottes Größe zu verkünden. Aus allen Nationen werden Gläubige nach Jerusalem strömen – auf Tieren, Wagen und Sänften –, als Opfergabe für den Herrn. Selbst aus diesen Völkern wird Gott neue Priester erwählen.

 

Diese Passage ist eine der radikalsten Aussagen des Alten Testaments über die Inklusion aller Völker ins Heil. Während die Verse 19a und 20a ausgelassen wurden, liegt der Fokus der Liturgie auf der göttlichen Initiative und der universalen Berufung. Die Auslassung dient dazu, den Blick nicht auf das Gericht, sondern auf die Sammlung zu richten.

 

 

Jesaja 66,18–21: Gottes universaler Heilsplan – Wenn alle Nationen zum heiligen Berg ziehen

 

> „Ich kenne die Taten und die Gedanken aller Nationen und Sprachen und komme, um sie zu versammeln, und sie werden kommen und meine Herrlichkeit sehen.“ (Jes 66,18)

→ Bibleserver-Link: Jesaja 66,18–21  (EU)

 

1. Hintergrund: Ein Text aus dem Exil- und Nach-Exil

 

Jesaja 66 gehört zum dritten Teil des Jesajabuches, oft als Tritojesaja (Kapitel 56–66) bezeichnet. Diese Kapitel stammen aus einer späten Phase des jüdischen Volkes – etwa aus der Zeit nach dem Babylonischen Exil, als die ersten Heimkehrer wieder in Jerusalem leben. Es ist eine Zeit der Neuordnung, der enttäuschten Erwartungen und der Suche nach Identität.

 

Das Volk ist gespalten: Zwischen „Zurückgekehrten“ und „Daheimgebliebenen“, zwischen Eliten und einfachen Menschen, zwischen religiösen Eiferern und Enttäuschten. In diese Situation hinein spricht Gott durch den Propheten – und weitet den Horizont radikal: Nicht nur Israel ist gemeint. Gottes Blick richtet sich auf die ganze Welt.

 

2. „Ich kenne die Taten und die Gedanken“ – Ein Gott, der alles sieht

 

Gott sagt nicht: „Ich sehe eure religiösen Rituale“, sondern: „Ich kenne die Taten und Gedanken aller Völker.“ Damit stellt Gott klar: Er durchschaut nicht nur äußeres Verhalten, sondern auch innere Haltungen. Nicht nur das jüdische Volk steht unter diesem Blick, sondern alle Nationen und Sprachen. Das ist ein gewaltiger Perspektivwechsel.

 

Diese Aussage erinnert an Psalm 139:

 

> „Du hast mein Sitzen und mein Aufstehen erkannt, du verstehst meine Gedanken von ferne.“ (Ps 139,2)

 

In einer Welt, in der Menschen sich gern voneinander abgrenzen – nach Herkunft, Religion, Sprache oder sozialem Status – ist dieser Satz ein Aufrütteln: Gott grenzt nicht ab. Er sieht alle.

 

3. „Ich komme, um sie zu versammeln“ – Der Missionsauftrag in prophetischer Vorwegnahme

 

Jes 66,18 spricht davon, dass Gott alle Nationen versammelt, um seine Herrlichkeit zu sehen. Dieses „Versammeln“ ist kein gewaltsames Einfangen, sondern eine Einladung zum Schauen, Staunen, Erkennen. Die Vorstellung erinnert an die späteren Worte Jesu:

 

> „Geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern.“ (Mt 28,19)

 

Was bei Jesaja anklingt, wird im Neuen Testament zur weltweiten Mission. In einem prophetischen Vorausblick sieht Jesaja also Pfingsten, Weltmission und interkulturelle Kirche.

 

Im Alltag heißt das: Unsere Vorstellung von Kirche darf nie national, exklusiv oder eng sein. Gottes Horizont ist größer. Christsein bedeutet: das Herz weit machen für Menschen anderer Sprachen, Kulturen und Wege – nicht um sie zu vereinnahmen, sondern um Gottes Herrlichkeit miteinander zu entdecken.

 

4. „Ich stelle bei ihnen ein Zeichen auf“ – Das Kreuz als universales Zeichen

 

Der Text spricht von einem „Zeichen“, das Gott aufstellt. In der christlichen Auslegung wird dieses Zeichen oft als prophetische Ankündigung des Kreuzes Christi gedeutet: ein Zeichen der Erlösung für alle, nicht nur für ein Volk.

 

Der Kirchenvater Origenes sieht im Kreuz das „wahre Zeichen der Sammlung der Völker“¹. Auch Jesus selbst sagt im Johannesevangelium:

 

> „Wenn ich über die Erde erhöht bin, werde ich alle zu mir ziehen.“ (Joh 12,32)

 

Das Kreuz ist also mehr als nur ein religiöses Symbol: Es ist Gottes Einladung an alle, unabhängig von Herkunft und Vergangenheit.

 

5. „Ich schicke von ihnen einige [...] zu den Nationen“ – Missionare aus den Geretteten

 

Gott sagt: Von den „Entronnenen“, den Überlebenden, wird er Boten machen. Sie gehen zu fernen Inseln – also zu den bislang Unerreichten. Diese Menschen werden nicht aus Jerusalem gesandt, sondern aus den Völkern selbst. Das ist eine theologische Revolution: Mission ist keine Einbahnstraße von Zentrum zu Peripherie. Vielmehr macht Gott aus den „Geretteten“ neue Verkünder – aus allen Kulturen heraus.

 

Dies entspricht dem Pfingstwunder: Jeder hörte das Evangelium in seiner eigenen Sprache (Apg 2,6). Schon Jesaja sieht diesen Grundsatz: Gott braucht keine Elite, sondern er sendet die, die seine Herrlichkeit erlebt haben – egal, woher sie kommen.

 

6. „Sie bringen eure Brüder [...] als Opfergabe“ – Eine Liturgie der Völker

 

In Vers 20 heißt es, dass die Völker Israels Brüder „als Opfergabe“ zum Herrn bringen – auf Rossen, Wagen, Kamelen. Es ist ein Bild einer profanen Prozession, einer Wallfahrt, in der Menschen aus aller Welt mitgebracht werden, wie man früher Opfergaben zum Tempel brachte.

 

Die Neue Jerusalemer Bibel nennt diese Szene eine „liturgische Einverleibung der Welt in den Kult Gottes“². Es ist keine Zwangsbekehrung, sondern ein geistlicher Heimweg, angeführt von denen, die Gott schon erkannt haben.

 

Im Alltag kann das bedeuten: Jeder Christ kann heute mitwirken, andere im Herzen nach „Jerusalem“ zu bringen – durch Gespräche, durch Gastfreundschaft, durch Zeugnis und Nächstenliebe.

 

7. „Auch aus ihnen nehme ich einige zu levitischen Priestern“ – Ein radikaler Gedanke

 

Der Höhepunkt dieser Passage ist revolutionär: Gott sagt, er wird aus den Völkern selbst neue Priester berufen. Das ist im alttestamentlichen Kontext unerhört. Die Priesterschaft war bis dahin allein den Leviten vorbehalten. Doch hier kündigt Gott an: Die alten Schranken fallen. Priesterliche Berufung wird nicht mehr exklusiv vergeben.

 

Der 1. Petrusbrief greift diese Linie auf:

> „Ihr seid ein königliches Priestertum, ein heiliges Volk.“ (1 Petr 2,9)

 

Diese Priesterschaft aller Gläubigen ist heute Grundlage vieler theologischer Positionen – katholisch und evangelisch. Papst Franziskus sagt dazu:

 

> „Die Kirche ist missionarisch. Sie lebt dafür, das Licht Christi zu allen zu tragen.“³

 

Zusammenfassung und Bedeutung für heute

 

Jesaja 66,18–21 öffnet einen weiten Blick:

Gott sieht alle Menschen – keine Nation, keine Sprache ist ihm fremd.

Er versammelt sie – nicht zur Uniformität, sondern zur Gemeinschaft.

Er sendet Menschen – nicht von oben herab, sondern aus ihrer Mitte.

Er verwandelt Nationen in Pilger – und Pilger in Priester.

 

 

Diese Vision ruft uns zur Umkehr: Weg vom Denken in Lagern, Gruppen, Nationen – hin zu einem universalen Glauben, der offen, barmherzig und zutiefst menschenfreundlich ist.

 

Zusammenfassung des Evangeliums nach Lukas 13,22–30:

 

Jesus zieht durch Städte und Dörfer in Richtung Jerusalem. Auf die Frage eines Unbekannten, ob nur wenige gerettet werden, antwortet er mit einem eindringlichen Bild: Bemüht euch, durch die enge Tür zu gehen. Viele werden es versuchen und abgewiesen werden. Der Hausherr wird ihnen sagen: „Ich kenne euch nicht.“ Diejenigen, die meinen, durch äußere Nähe zu Jesus sicher zu sein, werden enttäuscht. Stattdessen kommen Menschen von allen Himmelsrichtungen und sitzen im Gottesreich zu Tisch. Letzte werden Erste sein – und umgekehrt.

 

Jesus antwortet nicht mit Zahlen, sondern mit einer Warnung: Die Zugehörigkeit zum Reich Gottes hängt nicht an Herkunft oder Nähe, sondern an innerer Umkehr und Ernsthaftigkeit.

 

Lukas 13,22–30: „Die enge Tür“ – Gottes Einladung und unser freier Wille

> „Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen; denn viele, sage ich euch, werden versuchen, hineinzukommen, aber es wird ihnen nicht gelingen.“ (Lk 13,24)

→ Tagesevangelium: www.vaticannews.va/de/evangelium-des-tages.html

 

 

1. Hintergrund: Auf dem Weg nach Jerusalem

 

Der Evangelist Lukas schildert hier einen Abschnitt aus dem sogenannten „Reisebericht“ (Lk 9,51–19,28), also Jesu Weg nach Jerusalem – ein theologisches und geographisches Symbol für seinen Leidensweg und die Entscheidung Gottes zur Erlösung.

Jesus ist unterwegs – aber nicht einfach auf Reisen. Er geht zielgerichtet dem Kreuz entgegen. Und genau in diesem Spannungsfeld zwischen Gottes Heilsplan und menschlicher Antwort fällt die Frage eines Unbekannten:

 

> „Herr, sind es nur wenige, die gerettet werden?“ (V. 23)

Diese Frage ist bis heute aktuell – und doch weist Jesus sie überraschend zurück: Er antwortet nicht mit Zahlen, sondern mit einer persönlichen Herausforderung:

 

> „Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen.“ (V. 24)

 

 

2. „Sind es nur wenige?“ – Die falsche Frage

 

Die Frage nach der Anzahl der Geretteten zeigt eine Haltung, die oft auch heute zu finden ist: Spekulation statt Transformation.

Man will wissen, wie andere stehen – nicht, wie man selbst lebt. Doch Jesus verweigert sich solcher Neugier. Stattdessen lenkt er den Blick auf den persönlichen Weg: „Du selbst – wie stehst du da vor Gott?“

 

Der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer betonte:

 

> „Fragen nach der Zahl der Geretteten lenken vom Ernst der Nachfolge ab.“¹

 

 

3. „Die enge Tür“ – Bild für die Entscheidung

 

Jesus gebraucht hier ein starkes Bild: eine enge Tür. Kein breites Tor, keine große Halle – sondern ein schmaler Durchgang. Das Symbol ist klar: Der Zugang zum Reich Gottes ist kein Selbstläufer. Er braucht Bewusstsein, Einsatz und Bereitschaft, Ballast abzuwerfen.

 

In der Antike waren Stadt- und Tempeltore oft schmal und schwer zugänglich – besonders, wenn sie bewacht oder in der Nacht geschlossen waren. Jesus greift dieses Bild auf, um deutlich zu machen: Nicht jeder, der einmal mit Gott Kontakt hatte, wird automatisch durchgelassen. Es geht um bleibende Beziehung, nicht um religiöse Statistik.

 

 

4. „Viele werden versuchen, aber es wird ihnen nicht gelingen“ – Harte Worte?

 

Diese Aussage Jesu klingt hart – aber sie ist nicht grausam. Sie ist ernst gemeint. Gott lässt sich nicht durch äußere Nähe täuschen.

Viele berufen sich auf vergangene Begegnungen:

 

> „Wir haben doch in deinem Beisein gegessen und getrunken, und du hast auf unseren Straßen gelehrt!“ (V. 26)

Aber der Hausherr antwortet:

„Ich weiß nicht, woher ihr seid. Weg von mir, ihr habt alle Unrecht getan!“ (V. 27)

 

Der Schlüsselbegriff hier ist „Unrecht getan“ – griechisch adikia, also: bewusst gegen Gottes Willen handeln. Es geht Jesus nicht um Perfektion, sondern um die innere Ausrichtung. Wer Jesus nur kennt, aber ihm nicht nachfolgt, verfehlt das Ziel.

 

Der Katechismus der Katholischen Kirche erklärt dazu:

> „Gott erschuf den Menschen mit Verstand und freiem Willen. Die Entscheidung für das Gute muss frei geschehen.“ (KKK 1731–1738)

 

 

5. Alltagsbezug: Entscheidung statt Ausrede

 

Viele Menschen leben in der Haltung: „Ich war doch bei der Firmung, ich bin doch getauft …“

Aber Glaube ist keine Erinnerung – sondern Beziehung. Wer denkt, durch Mitgliedschaft sei alles erledigt, irrt.

 

Ein Beispiel:

Stell dir vor, du warst mal bei einem berühmten Konzert – aber du kennst den Musiker nicht persönlich. Du hast kein Ticket mehr, keinen Kontakt. Kannst du dich dann einfach beim Backstage-Eingang durchmogeln? Nein.

So ist es auch bei Gott. Die Einladung ist offen – aber sie muss heute gelebt werden.

 

 

6. „Dort wird Heulen und Zähneknirschen sein“ – Gericht mit Tränen

 

Jesus beschreibt die Konsequenzen klar: Wer nicht hineingelassen wird, wird erleben, wie andere – Abraham, Isaak, Jakob und die Propheten – im Reich Gottes sind, während man selbst draußen ist.

 

Es ist kein Strafbild, sondern ein Bild tiefen Bedauerns: Menschen erkennen, dass sie das Entscheidende verpasst haben. Nicht, weil Gott sie nicht wollte – sondern, weil sie die Einladung nicht angenommen haben.

Das Gericht ist real – aber es ist nicht Gottes Wille, sondern menschliche Freiheit, die es hervorbringt.

 

 

7. „Sie werden von Osten und Westen kommen“ – Die weite Einladung

 

Gleich danach weitet Jesus den Blick: Menschen von überall – Osten, Westen, Norden, Süden – werden im Reich Gottes zu Tisch sitzen.

Das bedeutet: Keiner ist ausgeschlossen, es sei denn, er schließt sich selbst aus.

Jesu Worte sind sowohl Warnung als auch Hoffnung: Gottes Tür ist offen – aber sie ist schmal.

 

Der Prediger Reinhard Bonnke sagte:

 

> „Das Evangelium ist keine Einladung zur Lehre – sondern zur Lebenswende.“²

 

 

8. „Die Letzten werden Erste sein“ – Umwertung der Maßstäbe

 

Jesus endet mit einem paradoxen Satz:

 

> „Siehe, da sind Letzte, die werden Erste sein, und da sind Erste, die werden Letzte sein.“ (V. 30)

 

Das heißt: Gottes Maßstäbe sind nicht unsere. Herkunft, Titel, religiöse Routine – das zählt bei Gott nicht. Was zählt, ist das Herz, die Liebe, die Entscheidung zur Nachfolge.

 

Die Stuttgarter Erklärungsbibel schreibt dazu:

> „Wer meint, bei Gott auf der sicheren Seite zu sein, lebt gefährlich. Wer sich als letzter begreift, darf hoffen.“³

 

Fazit:

 

Die Tür zum Reich Gottes steht offen, aber sie ist nicht breit.

Gott fragt nicht nach religiöser Zugehörigkeit, sondern nach gelebter Beziehung.

Jeder ist eingeladen, aber es liegt an uns, hineinzugehen.

Letzte können Erste werden, wenn sie ihr Herz öffnen.

 

 

Zusammenfassung der Zweiten Lesung – Hebräer 12,5–7.11–13:

 

Die Gläubigen werden erinnert an die Mahnung aus dem Buch der Sprüche: Wer von Gott geliebt wird, wird auch gezüchtigt. Die Züchtigung, so schwer sie im Moment ist, dient dazu, Gerechtigkeit und Frieden hervorzubringen. Gott handelt an uns wie ein liebender Vater an seinen Kindern. Deshalb sollen die Müden wieder gestärkt werden und einen geraden Weg gehen, damit Heilung möglich wird.

 

 

Hebräer 12,5–7.11–13: „Die Züchtigung des Herrn“ – Wenn Leiden zur Schule der Liebe wird

> „Haltet aus, wenn ihr gezüchtigt werdet! Gott behandelt euch wie Söhne.“ (Hebr 12,7)

→ Tagesevangelium: www.vaticannews.va/de/evangelium-des-tages.html

 

 

1. Hintergrund: Ein Brief für Bedrängte

 

Der Hebräerbrief richtet sich an eine jüdisch-christliche Gemeinde, die unter Druck steht – vermutlich durch gesellschaftliche Ausgrenzung, politische Verfolgung und religiöse Unsicherheit. Viele sind müde geworden. Einige drohen, den Glauben aufzugeben. In dieser Lage ruft der Verfasser sie auf:

 

> „Lasst euch nicht entmutigen – Gott formt euch.“

 

In den Versen 5–13 verknüpft der Autor die gegenwärtige Not mit einem größeren Bild: Gott handelt nicht strafend, sondern erziehend – wie ein Vater, der seine Kinder liebt.

 

2. „Mein Sohn, verachte nicht die Zucht des Herrn“ – ein Zitat aus den Sprüchen

 

Der Text beginnt mit einem direkten Zitat aus Sprüche 3,11–12. Dort heißt es:

> „Mein Sohn, verachte nicht die Erziehung des Herrn und sei nicht unwillig über seine Zurechtweisung! Denn wen der Herr liebt, den züchtigt er.“

 

Das hebräische Wort für „züchtigen“ (musar) meint weniger Strafe als liebevolle Erziehung mit klarer Konsequenz. Im antiken Verständnis war Erziehung (wie heute) manchmal auch schmerzhaft – aber immer zielgerichtet: den Charakter zu formen, die Freiheit zu stärken und die Beziehung zu vertiefen.

 

 

3. Theologischer Kern: Gott handelt wie ein liebender Vater

 

Der zentrale Satz lautet:

> „Gott behandelt euch wie Söhne.“ (V. 7)

 

Das ist ein revolutionärer Gedanke – besonders im antiken Judentum, das Gott zwar als heilig und allmächtig kannte, aber eher distanziert ansprach. Hier wird deutlich: Gott ist Vater – nicht nur im Schöpfungssinn, sondern im persönlichen, geistlichen Sinn.

 

Papst Benedikt XVI. schrieb in Jesus von Nazareth:

> „Gott ist kein ferner Despot. Er ist ein Vater – und zwar der vollkommen Liebende. Gerade weil er liebt, führt er uns durch Dunkelheiten zur Klarheit.“¹

 

 

4. „Züchtigung“ – kein altertümlicher Zwang, sondern göttliche Formung

 

Das Wort „Züchtigung“ löst bei modernen Lesern oft Abwehr aus. Es klingt nach Prügelstrafe. Doch im griechischen Urtext steht hier paideia, was eigentlich Erziehung, Schulung, Einübung bedeutet – ein Begriff, der aus der Welt der Philosophie und des Sports stammt.

 

Gott „züchtigt“ nicht im Sinne von Gewalt, sondern er zieht groß, wie ein erfahrener Trainer seine Athleten fordert.

 

> „Jede Züchtigung scheint zwar für den Augenblick nicht Freude zu bringen, sondern Leid; später aber gewährt sie [...] Gerechtigkeit als Frucht des Friedens.“ (V. 11)

 

Diese Unterscheidung ist wichtig: Nicht jedes Leid kommt von Gott. Aber Gott kann jedes Leid verwandeln, indem er darin wachsen lässt, was wir selbst nicht schaffen könnten.

 

 

5. Alltagsbezug: Wozu dient Schmerz?

 

Ein Beispiel:

Ein Musiker, der übt, hat wunde Finger. Ein Sportler hat Muskelkater. Eine Mutter ist erschöpft, aber lernt täglich mehr Geduld. Niemand leidet gerne – aber viele spüren: Wachstum geschieht selten im bequemen Modus.

 

Der Hebräerbrief sagt: Das gilt auch für den Glauben. Gott gebraucht schwere Zeiten nicht, um uns zu zerstören – sondern um uns zu vertiefen, zu reinigen, zu reifen.

 

> Nicht weil Gott grausam ist, sondern weil er uns liebt – und uns nicht oberflächlich lassen will.

 

 

6. „Macht die erschlafften Hände stark“ – ein Weckruf an die Gemeinde

 

Die Verse 12–13 greifen Bilder aus Jesaja 35,3–4 auf:

> „Stärkt die schlaffen Hände, festigt die wankenden Knie!“

 

 

Es ist ein Aufruf zur gegenseitigen Ermutigung. Wer im Glauben erschlafft ist, braucht keine Vorwürfe – sondern Stärkung durch Gemeinschaft und Hoffnung. Auch der Weg soll „eben“ gemacht werden – ein Bild für eine geordnete Lebensführung, die Heilung ermöglicht.

 

Die Stuttgarter Erklärungsbibel bemerkt dazu:

> „Der Weg des Glaubens braucht Gemeinschaft, die trägt. Wer schwankt, soll nicht überfordert werden, sondern gestützt.“²

 

 

7. Verbindung zu Jesus und zur Passion

 

Der größere Zusammenhang im Hebräerbrief zeigt: Jesus selbst ist den Weg der Züchtigung gegangen. Direkt vor unserem Abschnitt heißt es:

 

> „Er hat das Kreuz auf sich genommen, ohne auf die Schande zu achten.“ (Hebr 12,2)

 

Das heißt: Gott verlangt nichts, was er nicht selbst vorgelebt hätte. Der leidende Jesus ist nicht nur Erlöser – sondern Vorbild und Gefährte.

 

8. Praktische Folge: Standhalten mit Hoffnung

 

Wer sich heute fragt: „Warum lässt Gott das zu?“ – darf in diesem Text eine Antwort finden:

 

> Gott „erzieht“ durch die Not – aber immer in Liebe, mit Ziel, und unter Begleitung.

 

 

Der evangelische Liederdichter Paul Gerhardt schrieb im Dreißigjährigen Krieg:

> „Er weiß wohl, was uns fehlet, er weiß wohl, was uns dienet.“³

 

 

 

Wer das annimmt, kann sein Kreuz tragen – ohne zu zerbrechen.

 

Fazit:

 

Gott behandelt uns nicht hart, sondern wie geliebte Kinder.

Leid ist nicht Gottes Strafe, sondern oft sein Werkzeug zur Reifung.

Glaube braucht Geduld, Schulung und Gemeinschaft.

Jesus selbst ist diesen Weg vorangegangen.

Gott ruft uns auf: Stärkt euch und einander – es lohnt sich.

 

Fehlende Verse

Auch hier fehlen Verse (8–10), die den Unterschied zwischen menschlicher und göttlicher Züchtigung erläutern. Ihre Auslassung lenkt die Konzentration auf das Ziel der Läuterung: innere Stärkung und Heilung.

 

Historisch-biblischer Hintergrund der drei Bibeltexte:

Jesaja 66 gehört zu den spätesten Teilen des Jesajabuches (Tritojesaja). Es entstand in einer Zeit der Rückkehr aus dem Exil. Die Vision einer Einbindung der Nationen war revolutionär für ein Volk, das seine Identität als "heilig" bewahrte. In Lukas 13 steht Jesus auf dem Weg nach Jerusalem – im Wissen um sein bevorstehendes Leiden. Die Frage nach dem Heil beschäftigt das ganze Judentum seiner Zeit. Die Antwort Jesu sprengt nationale und religiöse Selbstsicherheiten. Der Hebräerbrief wiederum spricht an eine Gemeinde, die unter Verfolgung leidet. Die Ermahnung zur Standhaftigkeit knüpft an die alttestamentliche Weisheitsliteratur an.

 

Kommentar aus der Fachliteratur:

Die „Neue Jerusalemer Bibel“ erläutert zu Jes 66: „Das Opfer Israels wird nun durch alle Völker ersetzt, die selbst Opferträger werden – ein Bild universaler Liturgie“¹. Die Stuttgarter Erklärungsbibel betont zur lukanischen Mahnung: „Die ‚enge Tür‘ ist das Symbol für einen exklusiven, aber offenen Weg – offen für alle, doch nicht beliebig“².

 

Besonderer Schwerpunkt dieser Predigt:

„Die enge Tür“ steht im Zentrum aller Texte – als Bild für Umkehr, Ernst und persönliche Entscheidung. Es geht nicht um äußere Zugehörigkeit, sondern um Hingabe.

 

Praktische Beispiele:

Wer kennt es nicht – eine Tür, die sich gerade noch schließen will, während man versucht, hindurchzugehen. Nur wer entschlossen ist, wer bereit ist, Ballast abzuwerfen, kommt durch. So ist es auch mit dem Glauben: Oberflächliche Frömmigkeit reicht nicht. Das Reich Gottes öffnet sich für jene, die bereit sind, sich hinterfragen zu lassen – vom Geist Gottes, durch Bibel, Gemeinschaft, und persönliche Krise.

 

Erfahrungsberichte:

Der Baptistenprediger Billy Graham sagte einmal: „The way to heaven is narrow – and sometimes lonely – but it leads to life“³.

Dietrich Bonhoeffer warnte in „Nachfolge“ vor billiger Gnade, die ohne persönliche Entscheidung auskommt.

Die heilige Katharina von Siena wiederum sprach: „Du hast uns als freien Menschen geschaffen. In der Freiheit müssen wir die Tür durchschreiten, die du uns offenhältst“.

 

Innerer Zusammenhang der drei Texte:

Alle drei Lesungen kreisen um Gottes Einladung – und die menschliche Antwort. Jesaja zeigt die Weite des Heils, Lukas die Dringlichkeit der Entscheidung, Hebräer den Ernst der Nachfolge. Gott ruft – aber er zwingt nicht. Seine Tür ist offen – aber schmal. Sein Angebot gilt allen – aber es muss angenommen werden.

 

Appell:

Liebe Gebetsatelierfreunde und -freundinnen,

durch welche Tür willst du gehen? Wie reagierst du auf Gottes Einladung? Die Texte heute rufen uns zur Entscheidung, zur Umkehr und zur Ausdauer. Es ist nicht wichtig, wie viele gerettet werden – sondern, ob du durchgehst. Und wenn du müde bist – dann ruft dich der Hebräerbrief: Erhebe deine erschlafften Hände, richte deine Knie auf! Die Tür ist offen. Aber nicht für immer.

 

Fürbitten:

 

1. Guter Gott, wir beten für alle, die deinen Ruf hören, aber noch zögern: Gib ihnen Mut zur Entscheidung und öffne ihre Herzen für dein Wort.

 

2. Wir bitten dich für die Kirche weltweit: Lass sie ein Ort sein, der einlädt, ermutigt und auf den Weg durch die enge Tür vorbereitet.

 

3. Wir denken an alle Menschen, die durch Leid, Krankheit oder Verfolgung erschöpft sind: Stärke ihre Hände, richte ihre Knie auf und schenke ihnen Frieden.

 

4. Wir beten für die Völker der Erde, besonders in den Krisenregionen im Nahen Osten, in der Ukraine und im Sudan: Rufe sie zur Umkehr und zur Gerechtigkeit.

 

5. Wir bitten dich für junge Menschen, die ihren Weg suchen: Lass sie nicht an der Breite der Angebote verloren gehen, sondern weise ihnen den Weg zur Wahrheit.

 

6. Wir beten für alle, die geistlich taub geworden sind: Brich durch ihren Alltag und schenke ihnen neue Offenheit für dein Wort.

 

7. Wir denken an alle, die sich selbst als Letzte empfinden: Lass sie erfahren, dass du sie siehst – und sie zum Leben einlädst.

 

 

Alphabetisches Literaturverzeichnis (Chicago-Stil):

 

Benedikt XVI. (Joseph Ratzinger). Jesus von Nazareth, Bd. 1. Freiburg: Herder, 2007.

 

Bonnke, Reinhard. Evangelisation im Feuer. Frankfurt am Main: Verlag der Christlichen Literaturverbreitung, 2000.

 

Bonhoeffer, Dietrich. Nachfolge. München: Chr. Kaiser Verlag, 1937.

 

Franziskus. Evangelii Gaudium. Apostolisches Schreiben. Vatikan: Libreria Editrice Vaticana, 2013.

 

Gerhardt, Paul. Befiehl du deine Wege, in: Evangelisches Gesangbuch, Nr. 361, Vers 3.

 

Graham, Billy. Peace with God. Waco: Word Publishing, 1953.

 

Katharina von Siena, Hl. Dialoge. Rom-Ausgabe, 1378, Kap. 110.

 

Katholische Kirche. Katechismus der Katholischen Kirche. Vatikan: Libreria Editrice Vaticana, 1997. (KKK Nr. 1731–1738).

 

Neue Jerusalemer Bibel. 3. Aufl. Freiburg: Herder, 1985.

 

Origenes. Homilien zu Lukas, in: Origenes Werke, Bd. 9. Berlin: de Gruyter, 1966.

 

Stuttgarter Erklärungsbibel. 3. Aufl. Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft, 2007.

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Internetquellen:

 

www.bibleserver.de  – Bibeltexte in mehreren Übersetzungen, insbesondere Einheitsübersetzung, Elberfelder, Luther.

 

www.vaticannews.va/de/evangelium-des-tages.html – Tägliches Evangelium der römisch-katholischen Liturgie.


Erstellt von Werner Th. Jung. Fragen? Verbesserungsvorschläge? Schreiben Sie mir.

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